Abriss in Bonn Bunker an der Karlstraße fällt Brocken für Brocken

Bonn · 3500 Kubikmeter Beton und Stahl werden vom Bunker an der Karlstraße von schweren Abrissmaschinen zerkleinert.

Selbst 160 Zentimeter Stahlbeton vibrieren unter seinen Füßen. Für das ungewöhnliche Panorama auf den Bonner Westen hat Jamal Schurak deshalb keinen Blick übrig. Konzentriert führt der gebürtige Marokkaner die Metallspitze seines Stemmbaggers an den Rand des Abgrunds, der mit jedem Schlag ein kleines Stück näher rückt. "Eine Woche noch. Dann bin ich hier weg", ruft der Bauarbeiter gegen den Lärm.

Ortstermin auf schwankendem Boden rund 17 Meter über der Karlstraße. Die Stadtwerke Bonn lassen dort in diesen Tagen den alten Flakbunker neben dem vor zwei Jahren in Betrieb genommenen Heizkraftwerk Nord abreißen. Das Unternehmen will Platz schaffen für ein neues Verwaltungsgebäude, in dem neben dem administrativen Kraftwerkspersonal von mehreren Hundert Mitarbeitern auch 50 Kollegen aus der Zentrale in der Welschnonnenstraße unterkommen sollen. "Eine Sanierung der bestehenden Gebäude ringsum wäre teurer geworden", erklärt SWB-Pressesprecher Werner Schui. 800 000 Euro nehmen die SWB in die Hand, um ihr Betriebsgelände vom Weltkriegsmüll zu befreien.

Im Zweiten Weltkrieg diente der 1941 gebaute Stahlbetonklotz vor allem den Mitarbeitern von Schlachthof und Kraftwerk sowie Anwohnern als Zufluchtsort auf fünf Etagen. Bis Kriegsende blieb er selbst unbeschädigt. Aber das Kraftwerk nebenan wurde bei einem Luftangriff am 26. Dezember 1944 schwer getroffen und konnte erst im Jahr 1949 wieder zur Stromversorgung Bonns beitragen.

Gefahr einer Sprengung war zu groß

Bis zu drei Meter dicke Wände, ein massives Betondach und eine dicke Kiesschicht darauf sorgten für die Sicherheit der Insassen. 70 Jahre später stellt der Abriss eben dieser Konstruktion alle Beteiligten vor manche Herausforderung. "Gerne hätten wir gesprengt. Aber die Gefahr war zu groß, dass die Erschütterung die Dampfturbinen im Kraftwerk abgeschaltet hätte", erklärt Stadtwerke-Mitarbeiter Ralf Driller. Einen Blackout für die Strom- und Heizwärmeversorgung in der Stadt mochte natürlich niemand riskieren. So mussten Jamal Schurak und seine Kollegen ran.

"Zuerst haben wir fünf Meter tiefe Löcher in den Beton getrieben", erklärt Bauleiter Heiko Riede vom Abbruchunternehmen Rhiem & Sohn aus Erftstadt. Dort hinein kam ein umweltschonendes Quellpulver, das zusammen mit Wasser den Beton aufbrach. Schuraks Stemmbagger trägt nun die oberste Schicht ab. Ein komisches Gefühl muss das schon sein selbst für den erfahrenen Abbrucharbeiter, der morgens als einziger die provisorischen Treppen zu seinem Arbeitsplatz hinaufsteigt, den er selbst Brocken für Brocken in Stücke klopft.

Gleichzeitig frisst sich von unten eine riesige Fräse mit 200 PS und einem Öldruck von 350 bar ins Mauerwerk. 20 faustgroße Abbruchmeißel müssen die Arbeiter jeden Tag an dem Gerät ersetzen. 300 dieser spitzen Stahlklauen haben sie bereits bis zur Unbrauchbarkeit abgeschliffen. Den Rest erledigt Sven Giesen wie "Edward mit den Scherenhänden" mit der riesigen Betonschere, der zweitgrößten, die überhaupt auf dem Markt ist. "Ach, das ist tatsächlich ein echter Männerspaß", sagt der Dürener in der geschlossenen Kabine, während sich draußen die mannsgroßen Schneidezangen in einer mächtigen Staubwolke durch Beton und Stahlstreben schneiden.

Baggerfahrer: "Wir kriegen alles kaputt"

Seit 18 Jahren reißt Giesen Gebäude ab, aber einen solchen Brocken kriegt er nicht alle Tage unter die Finger. "Ein Bunker in Düsseldorf war noch zäher - aber am Ende hatte auch der verloren. Wir kriegen alles kaputt", ist der Baggerfahrer sicher. Nur konzentrieren müsse man sich höllisch, um in dem Durcheinander nicht daneben zu greifen.

Insgesamt 3500 Kubikmeter Beton und Stahl werden von den Maschinen zerkleinert und pulverisiert. Das Altmetall kann später eingeschmolzen werden. Der Rest wird als Bauschutt entsorgt. "Wenn erst die Decke weg ist, geht es mit den Stockwerken relativ schnell", ist Bauleiter Riede zuversichtlich. Im April nächsten Jahres sollen die Arbeiten vollständig abgeschlossen sein. Dann herrscht endlich Frieden auf dem Gelände der SWB.

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