Postzustellung auf dem Weihnachtsmarkt Brief für rechts hinter der Zuckerwatte

Bonn · Carmen Böhm bringt den Händlern auf dem Weihnachtsmarkt die Post. Manchmal muss sie eine Spürnase sein, um die richtige Adresse zu finden.

Vor dem Glühweinstand tippeln die Besucher fröstelnd von einem Bein auf das andere und wärmen die Hände an ihrem heißen Getränk. Handschuhe? „Brauche ich nicht.“ Eine warme Mütze? „Wozu?“, fragt Carmen Böhm und steuert ihren kleinen Zustellkarren souverän durch die Menschenmenge des Bonner Weihnachtsmarkts.

„Für mich kann es nicht kalt genug sein. Ich trage sogar noch die Sommerhose“, sagt sie und beobachtet das bunte Treiben vor den Ständen. „Mir wird so schnell nicht kalt.“ Damit ist die 36-Jährige bestens geeignet für ihren Job. Denn als Postzustellerin in der Bonner Innenstadt gehört in diesen Wochen auch der Weihnachtsmarkt zu ihrem Revier.

Rechnungen, Werbesendungen oder Briefe lassen sich die Händler direkt an ihre Holzbuden liefern. „Manchmal auch kleine Päckchen“, sagt Peter Griss, der Carmen Böhm an diesem Morgen bereits sehnsüchtig erwartet. Für ihn hat die Postlerin heute eine größere Sendung in ihrem gelben Wagen. „Ich lasse mir die Weihnachtsgeschenke für meine Familie natürlich hier an meinen Stand liefern“, so der Händler. „Da weiß ich genau, dass ich alles pünktlich bekomme. Frau Böhm ist wirklich eine sehr zuverlässige Postzustellerin. Und zu Hause sieht niemand, was ich geordert habe“, berichtet er an seinem Stand mit Mineralien und Fossilien.

Der Duft von Zuckerwatte, Bratwurst und Reibekuchen liegt in der Luft, vom Kinderkarussell dröhnen immer dieselben Weihnachtslieder. Nervt das nicht? „Nein, ich bin immer noch gerne auf dem Weihnachtsmarkt unterwegs. Ich liebe diese Atmosphäre“, sagt die 36-Jährige, während sie ihr Gefährt geschickt durch die Menge manövriert. „Eigentlich kann ich von Weihnachten nicht genug kriegen.“ Deshalb schlendert sie auch in ihrer Freizeit gerne über die Märkte. „Meine beiden Söhne beneiden mich richtig um meinen Arbeitsplatz. Manchmal nehme ich einen von ihnen mit.“

Obwohl Carmen Böhm erst 2015 diesen Bezirk übernommen hat, kennt man sie in der City. „Manchmal werde ich auf einen Espresso eingeladen“, sagt sie. Hin und wieder muss sie jedoch auch mit viel Fantasie zu Werke gehen. „Die Adressen für die Sendungen auf dem Weihnachtsmarkt stimmen nur in den seltensten Fällen.“ Zwar hat sie sich vor der Eröffnung einen Lageplan mit den Standnummern auf ihr Handy geladen, doch „manche Absender verlassen sich auf meinen Spürsinn.“ So wie ein Brief, der „An den Stand rechts hinter der Zuckerwatte“ adressiert war. „Davon gibt es hier mehrere. Aber ich habe schließlich gemeinsam mit einigen Händlern den richtigen Empfänger gefunden.“

Auch Heiligabend ist sie wieder in der Bonner Innenstadt unterwegs und bringt die letzte Festtagspost. Der Weihnachtsmarkt ist dann allerdings schon abgebaut, und Carmen Böhm nimmt ihre gewohnte Route. Gegen Mittag wird sie damit fertig sein. „Wenn ich dann nach Hause komme, ist der Baum geschmückt und das Essen gekocht.“ Somit freut sie sich auf das Fest und ergänzt: „Für mich gibt es keinen schöneren Beruf als Zustellerin.“

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