Kritik an neuem Gesetz Kaum ein Bonner nimmt seinen Kassenbon mit

Bonn · Mal eben zum Bäcker rein und ein Brötchen für 30 Cent gekauft oder im Kiosk einen Kaugummi für 20 Cent geholt: Wer solche kleinen Einkäufe erledigt, bekommt seit dem 1. Januar auch immer einen Kassenbon ausgehändigt. Und das gefällt kaum jemandem.

Peter Paetz, Inhaber von Imbiss Karl, steht seit Einführung des neuen Kassengesetzes vor einem Riesenberg an Papiermüll.

Peter Paetz, Inhaber von Imbiss Karl, steht seit Einführung des neuen Kassengesetzes vor einem Riesenberg an Papiermüll.

Foto: Sebastian Flick

Grund für die Neuerung ist ein Anfang des Jahres in Kraft getretenes Kassengesetz, das alle Gewerbetreibenden dazu verpflichtet, für jeden Verkauf einen Kassenzettel auszudrucken.

Das Bundesfinanzministerium möchte mit dem Gesetz Steuerhinterziehung verhindern, doch für die Gewerbetreibenden bedeutet das neue Gesetz nicht nur mehr Arbeit, sondern auch ein erhöhtes Müllaufkommen. Denn kaum ein Kunde möchte den Kassenbon tatsächlich mitnehmen.

Bei Ali Azad im Kiosk „Spätkauf“ am Hauptbahnhof hängen die Kassenbons dutzendweise aus der Kasse heraus: Der Kiosk-Inhaber hat gerade mehrere Kunden hintereinander bedient und ist noch gar nicht dazu gekommen, die große Papieransammlung zu entsorgen. Seit Anfang Januar fragt auch er jeden Kunden, ob dieser einen Kassenbon haben möchte. Die Reaktion sei so gut wie immer die gleiche: die Kunden winken ab. „Vielleicht ein bis zweimal im Monat kommt es vor, dass ein Kunde einen Bon mitnimmt“, berichtet Azad.

Große Sammlung von Thermopapier

Was ihm bleibt, ist eine große Sammlung von Thermopapier, denn egal, ob der Kunde einen Bon haben möchte oder nicht: Seine Kasse muss den Bon bei jedem einzelnen Verkauf automatisch ausdrucken. Auch Peter Paetz von Imbiss Karl in Beuel geht seiner Pflicht nach und fragt jeden Kunden, ob er einen Kassenbeleg haben möchte. „Die lachen mich alle aus“, berichtet er. Von 100 Kunden seien vielleicht zwei dabei, die den Kassenbeleg tatsächlich mitnehmen.

Auch wenn die Gewerbetreibenden dazu verpflichtet sind, jeden einzelnen Kassenzettel auszudrucken, besteht für den Kunden keine Mitnahmepflicht. Peter Paetz hat alle Kassenbons aufgehoben und so in den vergangenen Wochen einen Riesenberg an Thermopapier gesammelt: „Das ist alles Sondermüll, der sehr aufwendig zu entsorgen ist“, berichtet Paetz.

Große Mengen an Papier hat auch Serhat Tapti vom Kiosk am Konrad-Adenauer-Platz in den vergangenen Wochen gesammelt: „Umweltschutz ist derzeit ein so großes Thema, und dann kommt jetzt ein Gesetz, das so eine Papierflut hervorruft“, zeigt auch er seinen Unmut über das neue Kassengesetz. Dass ein Kunde den Kassenbon tatsächlich mitnimmt, sei bisher so gut wie nie vorgekommen. „Jedes Mal frage ich die Kunden, ob sie einen Kassenbeleg haben möchten. Die Antwort lautet meistens, was sollen wir damit?“, berichtet Tapti. Oft entwickele sich aber ein Gespräch daraus.

Interesse in Bad Godesberg gering

Auch in Bad Godesberg ist das Interesse an den Kassenbons gering: „Nicht einmal ein Prozent unserer Kunden nehmen die ausgedruckten Belege mit“, berichtet Doris Radon, Filialleiterin der Bäckerei Voigt. Neben ihr steht ein Eimer gefüllt mit Thermopapier: „Das sind alles Kassenbons, die die Kunden nicht mitnehmen wollen. Den Eimer müssen wir drei- bis viermal am Tag leeren und anschließend einen Riesenberg an Papiermüll als Sondermüll entsorgen. Und das, wo doch derzeit alle über Umweltschutz reden“, sagt Radon. Wenige Meter weiter in der Bäckerei Merzenich hatte man in den ersten Wochen des Jahres ähnliche Erfahrungen gemacht, wie eine Mitarbeiterin berichtet.

Dank eines System-Updates der Kasse entgeht man hier seit Anfang Februar den Mengen an Papiermüll: Die Kunden können auf Wunsch den Kassenbon über ihr Handy einscannen. So wird die Bonpflicht erfüllt, nur nicht mehr auf Papier gedruckt. Diese digitale Lösung ist allerdings noch nicht sehr verbreitet.

Kritiker regen seit Inkrafttreten des Gesetzes dazu an, die überflüssigen Bons zu sammeln und sie per Post wahlweise dem örtlichen Finanzamt, dem Bundesfinanzministerium oder dem Kanzleramt zur freien Verfügung zu stellen. Inwieweit dies in Bonn Anwendung findet, ist nicht bekannt.

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