Brigitte Mühlenbruch Bonnerin mit Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet

BONN · Das Abitur mit Bravour gemeistert, auf Anhieb einen Studienplatz bekommen und das Examen mit Bestnoten bestanden. Doch selbst mit einem hervorragenden Hochschulabschluss in der Tasche haben junge Akademikerinnen noch immer nicht die gleichen Chancen, in Wissenschaft und Forschung Karriere zu machen wie ihre männlichen Kommilitonen.

 Brigitte Mühlenbruch erhielt am Montag in Berlin das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

Brigitte Mühlenbruch erhielt am Montag in Berlin das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

Foto: Roland Kohls

"Bis wir die tatsächliche Chancengleichheit von Mann und Frau erreicht haben, vergehen sicher noch 40 Jahre. Kulturelle Veränderungen verlaufen nun einmal sehr langsam. Daher müssen wir permanent dicke Bretter bohren", sagt Brigitte Mühlenbruch.

Sie muss es wissen. Seit Jahrzehnten beschäftigt sie sich mit dem Thema Chancengleichheit. Sie war nicht nur die erste Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Uni Bonn, sondern hat sich auch international in diesem Metier einen Namen gemacht. Für dieses Engagement zeichnete sie Bundespräsident Joachim Gauck am Montag in Berlin mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse aus. Schon 1996 hatte Roman Herzog der Bonnerin den Verdienstorden der Bundesrepublik verliehen.

Dabei könnte Mühlenbruch eigentlich langsam etwas kürzer treten. 1936 in Bremen geboren, kam sie 1966 nach Bonn und promovierte am Institut für Pharmazeutische Chemie. Schon damals engagierte sie sich in verschiedenen Gremien und Kommissionen, die sich auch mit der Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung beschäftigten.

Als dann Mitte der 1980er Jahre erstmals die Position der Frauenbeauftragten besetzt werden "musste", fiel die Wahl auf sie. "Ich war nicht nur die erste Frauenbeauftragte in Bonn, sondern auch eine der ersten in NRW", erinnert sie sich.

"Das Thema Chancengerechtigkeit hat mich schon immer interessiert, und ich bin in die Problematik immer mehr hineingewachsen. Was mich interessiert, das treibt mich an. Das ist auch heute noch so."

Damals war es noch eine Ausnahme, wenn eine junge Wissenschaftlerin den Ruf an eine Universität erhielt. "Immer noch sind nur rund 20 Prozent der Professorenstellen in Deutschland mit Frauen besetzt. Es hat sich zwar schon einiges verändert, aber es muss sich noch sehr viel tun", zieht die Pharmazeutin Bilanz.

2000 gründete sie mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums an der Uni Bonn das "Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung" (Center of Excellence Women and Science, kurz CEWS), das heute zur Leibniz-Gemeinschaft gehört. Obwohl sie offiziell schon 2001 pensioniert wurde, leitete sie das Kompetenzzentrum bis 2005. Aber auch danach war an Ruhestand nicht zu denken.

Denn seitdem setzt sie sich ehrenamtlich verstärkt international ein. Heute ist Mühlenbruch Präsidentin der von ihr gegründeten "European Platform of Women Scientists" in Brüssel, einer Organisation, die als Sprachrohr und Interessenvertretung von etwa 12 000 Wissenschaftlerinnen aus Europa fungiert. Rund 100 Netzwerke aus allen 28 Ländern der EU sind ihr angeschlossen.

Mindestens sechs Stunden sitzt Mühlenbruch täglich am Schreibtisch in ihrem Haus in Lengsdorf. Etwa einmal im Monat fährt sie nach Brüssel, um Lobbyarbeit zu leisten. "Man kann Chancengleichheit nicht nach einem einheitlichen Muster herbeiführen. In den Mitgliedsländern herrschen sehr unterschiedliche Voraussetzungen, die wir jeweils berücksichtigen müssen", erklärt sie. In Brüssel berät sie die EU-Kommission sowie EU-Abgeordnete zu diesem Thema.

Vor zehn Jahren hat sie zudem zusammen mit der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, eine Stiftung gegründet, die junge Wissenschaftlerinnen mit Kind fördert. "Wir finanzieren den Stipendiatinnen unter anderem eine Kinderbetreuung, damit sie sich in Ruhe ihrer Karriere widmen können. Wir schenken den jungen Frauen damit einfach nur ungebundene Zeit."

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass auch in der Forschung mehr auf die Verschiedenartigkeit der Geschlechter (Gender Dimension) geachtet wird. "Beispielsweise in Medizin und Pharmazie. Neue Arzneimittel werden auch heute noch fast ausschließlich an Männern getestet. Dabei sind Frauen, die ebenfalls mit diesen Arzneimitteln behandelt werden, keine schwächeren Männer und Kinder keine kleinen Erwachsenen.

Ihr Stoffwechsel ist sehr unterschiedlich und sie reagieren oftmals ganz anders auf diese Wirkstoffe. Solche Unterschiede müssen bei der Erprobung endlich berücksichtigt werden. Deshalb müssen differenziertere Tests für Männer, Frauen und Kinder angewendet werden", fordert sie. Und ganz persönlich wünscht sie sich, "dass ich noch lange in der Lage sein werde, etwas zu bewegen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort