Tayfun Tilkicik Bonner Uniklinik hat jetzt einen islamischen Seelsorger

BONN · Seine braune "Notfalltasche" lässt er nicht aus den Augen. Darin hat der 25 Jahre alte Krankenpfleger an der Bonner Uniklinik allerdings nichts, um schnell Erste Hilfe leisten zu können. "Nein", lacht Tayfun Tilkicik, öffnet sie und präsentiert schmunzelnd den Inhalt.

 Tayfun Tilkicik ist Krankenpfleger und islamischer Seelsorger an der Bonner Uniklinik.

Tayfun Tilkicik ist Krankenpfleger und islamischer Seelsorger an der Bonner Uniklinik.

Foto: Uniklinik

"Darin habe ich immer einen Koran." Den hat der gläubige Muslim zwar auch im Alltag stets griffbereit. Doch jetzt gehört die Heilige Schrift des Islams zu seiner Grundausstattung, wenn er seinen ehrenamtlichen Seelsorgerdienst auf der Intensivstation der Neurochirurgie der Uniklinik beginnt.

Denn Tilkicik hat sich zum islamischen Seelsorger ausbilden lassen. Neben der christlichen Krankenhausseelsorge mit katholischen und evangelischen Geistlichen können sich jetzt auch Patienten muslimischen Glaubens und deren Angehörige in schwierigen Lebensphasen an einen religiösen Beistand wenden. Dafür hat der junge Krankenpfleger elf Monate lang am Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog einen entsprechenden Lehrgang besucht.

"Die größte religiöse Gruppe nach den Christen bilden sowohl bei den Patienten als auch bei den Mitarbeitern die Muslime. Von daher wurde es höchste Zeit, neben dem christlichen auch islamischen Beistand anbieten zu können", betont Professor Wolfgang Holzgreve, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Uniklinik.

Geboren in Aachen und seit 2012 auf dem Venusberg als Krankenpfleger beschäftigt, kennt Tilkicik die Sorgen und Nöte Schwerstkranker und ihrer Familien. Zwar wird er schon bei seiner täglichen Arbeit auf der Intensivstation immer wieder mit Schicksalsschlägen, Tod und Trauer konfrontiert, trotzdem ist er auch in seiner Freizeit rund um die Uhr erreichbar, wenn Patienten oder ihre Familien Trost und mentale Unterstützung brauchen.

"Wenn ich aufgrund meines Dienstplans gerade nicht abkömmlich bin, dann benachrichtige ich jemanden aus der islamischen Gemeinde, der dann zu dem Kranken geht", so Tilkicik.

Als er vor drei Jahren an die Bonner Klinik kam, fiel ihm schnell der wachsende Bedarf an geistlicher Begleitung auf. "Viele religiöse Bedürfnisse wurden früher privat abgedeckt. Doch auch die islamischen Familien werden immer kleiner und die Berufseinbindung immer stärker, wodurch die Zeit für Fürsorge und seelische Pflege von Seiten der Familie tendenziell abnimmt.

Zudem reisen viele Patienten von außerhalb an und haben keine Angehörigen in der Nähe. Unter dieser Situation leiden einige sehr. Ich versuche auch diese Lücke ein Stück weit zu schließen", so Tilkicik. Seine vielfältigen Sprachkenntnisse helfen ihm dabei. Neben Deutsch und Türkisch spricht er Englisch, Französisch, Italienisch und etwas Arabisch.

Sprechen, zuhören, manchmal schweigen, gemeinsam beten - das Angebot von Tayfun Tilkicik unterscheidet sich nicht von dem der christlichen Seelsorger. "Wenn der Patient es wünscht, dann lese ich ihm Suren vor und wir interpretieren die Passagen", erzählt er. Aber manchmal sei er einfach nur da, um die Hand des Schwerkranken zu halten.

"Ich komme nicht nur, wenn's ums Sterben geht"

"Ich bin so lange an seinem Bett, wie ich gebraucht werde." Auch über den Tod hinaus. Dann kümmert sich Tilkicik um die Angehörigen, betet mit ihnen und tröstet. "Aber ich komme nicht nur, wenn's ums Sterben geht", erklärt er lächelnd. "Ich bin für viele auch eine Vertrauensperson."

So wie für die Eltern, deren Kleinkind für einige Monate auf dem Bonner Venusberg behandelt wurde. Da sie nicht in der Nähe wohnten, besuchte Tayfun Tilkicik den kleinen Patienten regelmäßig und schaute nach dem Rechten. "Das war für die Eltern sehr beruhigend", erzählt er.

Denn: "Seelsorge umfasst nicht nur religiöse Zeremonien und Gebete. Zu meiner Arbeit gehört vor allem auch das Gespräch mit Patienten und Familien." Kommunikation sei ein wichtiger Faktor und könne sich in emotionalen Situationen ebenfalls beruhigend auf die Betroffenen auswirken.

Der 25-Jährige ist allerdings nicht nur islamischer Krankenhausseelsorger. Tilkicik ist vielmehr auch ein kompetenter Ansprechpartner für seine Kollegen, wenn es um interkulturelle Pflege und die Besonderheiten im Umgang mit muslimischen Patienten geht. Und er hat jetzt im Ramadan das Fastenbrechen für muslimische und nichtmuslimische Kollegen mitorganisiert: "Wir haben Platz für rund 160 Gäste und sind schon ausgebucht", freut er sich.

Jung, frisch verheiratet, lebensfroh - was treibt Tayfun Tilkicik an, sich auch außerhalb seiner Arbeit mit Tod und Trauer zu beschäftigen? "Diese Arbeit erfüllt mich zutiefst. Ich bekomme viel mehr zurück, als ich gebe. Das alles trägt zu meiner eigenen Besinnlichkeit bei."

Einen Wunsch hat er jedoch für die Zukunft: "Es wäre schön, wenn ich von einer weiblichen Seelsorgerin unterstützt würde. Denn gerade Patientinnen wünschen sich eine Frau."

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