Kommentar zum Fall Demirtas Bonner Professor im Zwielicht

Meinung | Bonn · Stefan Talmon hat der Exzellenz-Universität Bonn im Fall Demirtas geschadet. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, dass die Uni Bonn sich unmissverständlich von der fragwürdigen Nebentätigkeit des Professors distanziert, kommentiert Andreas Baumann.

 Selahattin Demirtas, Präsidentschaftskandidat der oppositionellen pro-kurdischen Partei HDP, sitzt in seiner Zelle im Gefängnis, wo er seit November 2016 in Untersuchungshaft sitzt.

Selahattin Demirtas, Präsidentschaftskandidat der oppositionellen pro-kurdischen Partei HDP, sitzt in seiner Zelle im Gefängnis, wo er seit November 2016 in Untersuchungshaft sitzt.

Foto: dpa/Uncredited

Vor knapp drei Jahren hat die Bonner Universität eine schützende Hand ausgestreckt: Sie bot einem Professor und einer Geisteswissenschaftlerin aus der Türkei Unterschlupf, die das eigene Land aus Furcht vor dem Erdogan-Regime verlassen hatten. Es war zu befürchten, so erklärte die Uni damals, dass beide "in ihrem Heimatland nicht mehr ungehindert ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit nachgehen können".

Seitdem hat sich das Klima der Repression in der Türkei eher noch verschärft. Presse- und Meinungsfreiheit werden mit Füßen getreten, Polizei und Justiz sind nach mehreren Säuberungswellen mit Erdogan-Getreuen besetzt, und schon ein kritischer Facebook-Post kann ausreichen, um selbst als ausländischer Tourist in ein türkisches Gefängnis zu wandern.

Ausgerechnet diesen autoritären Staat vertritt der Bonner Professor Stefan Talmon als Rechtsbeistand vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht der hiesigen Universität soll letztlich dabei helfen, den seit Jahren inhaftierten Kurdenpolitiker Selahattin Demirtas weiter hinter Gittern zu halten - und das, nachdem das europäische Gericht schon einmal klar gemacht hat, dass es das harte Vorgehen der Türkei für nicht verhältnismäßig hält.

Die Türkei ist kein Rechtsstaat - oder entwickelt sich zumindest mit rasanter Geschwindigkeit weg von Rechtsstaatlichkeit, wie sie das demokratische Europa versteht. Wer einem solchen Staat ganz ohne Not als Anwalt dient, hat damit eine Entscheidung getroffen, die ihn als Lehrstuhlinhaber in ein zweifelhaftes Licht rückt. Denn es geht bei einem Dozenten, der ganze Generationen von Jurastudenten mitprägt, nicht nur um das Vermitteln von Paragrafen, sondern auch um eine Haltung.

Der Professor hat dem Ansehen der Alma Mater nicht nur "keinen Gefallen getan", wie der Hochschulratsvorsitzende Dieter Engels kritisch anmerkt: Nein, Stefan Talmon hat der Exzellenz-Universität geschadet. Die Frage ist, warum niemand in der Uni-Leitung den Rechtsexperten aufgehalten hat. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, dass sie sich unmissverständlich von der fragwürdigen Nebentätigkeit des Professors distanziert.

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