Schwerer Sturz mit "Speed-Pedelec" Bonner Landgericht: Fahrradgeschäft trägt Mitschuld

BONN · Ein geplatzter Hinterreifen war schuld daran, dass ein 55 Jahre alter Arzt mit seinem sogenannten "Speed-Pedelec" stürzte und sich schlimme Verletzungen zuzog. Vor dem Bonner Landgericht verklagte der in der Schweiz lebende Käufer daraufhin das Fahrradgeschäft auf die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von fast einer Million Euro.

Bei dem Händler aus dem Bonner Umland hatte der Kieferorthopäde das Rad 2010 für knapp 2000 Euro über das Internet gekauft und sich liefern lassen. Wichtig war dem Kläger, dass das Rad breite Reifen hat. Offenbar setzte er die Laufräder selbst ein, überließ die Endmontage und das Aufpumpen der Reifen dann jedoch einer Fachwerkstatt.

Bei der ersten Fahrt sei es, so der Arzt, im Juli 2010 zu dem schlimmen Unfall gekommen. Der Kläger, der ohne Helm unterwegs war, stürzte bei einer Geschwindigkeit von 35 bis 40 Kilometer pro Stunde, da der Schlauch im hinteren Reifen platzte. Die Folgen waren vor allem schwerste Kopfverletzungen: Unter anderem erlitt der Arzt eine traumatische Hirnverletzung und etliche Mittelgesichtsfrakturen.

Zwei Wochen lag der 55-Jährige im künstlichen Koma. In seinem Job fiel der selbstständige Kieferorthopäde längere Zeit ganz aus. Heute ist er nach eigenen Angaben immer noch zu 20 Prozent arbeitsunfähig. Zudem klagt er über den Verlust seines Geruchssinns.

Dem Fahrradgeschäft warf der Kläger im Prozess vor, dass der Schlauch in dem Geschäft der Beklagten falsch montiert worden sei. Der Mantel wurde anscheinend zwischen Pneu und Felge eingeklemmt und platzte, als der Druck beim Fahren zu groß wurde. Allein für den erlittenen Verdienstausfall forderte der Arzt mehr als 770.000 Euro Schadensersatz.

Außerdem wollte er ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro und die Feststellung, dass alle in Zukunft anfallenden Schäden, die aus dem Unfall resultieren, von der Beklagten gezahlt werden. Zudem verlangte er, dass das Geschäft etwa 58.000 Euro an seine Krankenversicherung zahlt. Das Geschäft weigerte sich jedoch zu zahlen, unter anderem, da bei einer sechs bis sieben Kilometer langen Probefahrt vor dem Verkauf alles in Ordnung gewesen sei. Ein Verrutschen des Schlauchs könne beim Transport geschehen sein.

Das Gericht aber folgte der Auffassung eines Gutachters, der zu dem Schluss gekommen war, dass das Rad so nicht hätte verkauft werden dürfen. Der Reifen sei für die Felge zu breit und vom Hersteller nicht für "Speed-Pedelecs" freigegeben. Und die Zivilrichter kamen zu dem Schluss, dass das beklagte Geschäft ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro zahlen muss. Zudem wurde in einem Grundurteil bereits entschieden, dass es die Hälfte des entstandenen Schadens übernehmen muss - die genaue Höhe des Schadens muss im weiteren Verlauf des Prozesses geklärt werden.

Allerdings befand das Gericht auch: Den Käufer trifft eine 50-prozentige Mitschuld. Denn er hätte bei der Geschwindigkeit einen Helm aufsetzen müssen.

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