Hohe Nachfrage Bonner Getränkehändler kämpfen gegen Flaschenmangel

Bonn · Hamsterkäufe gehören mittlerweile der Vergangenheit an. Leergut ist bei den Großhändlern nun aber ein begehrtes Gut. Der ein oder andere Getränkehändler hat sogar eine Prämie für leere Kästen ausgelobt.

 Getränkehändler Werner Vendel macht sich um den Nachschub keine Sorgen. Allmählich hat sich die Lage normalisiert.

Getränkehändler Werner Vendel macht sich um den Nachschub keine Sorgen. Allmählich hat sich die Lage normalisiert.

Foto: Stefan Hermes

Eigentlich könnte der Getränkehandel zufrieden sein: In Zeiten der Corona-Pandemie haben die Kunden sich nicht nur mit ausreichend Toilettenpapier, Nudeln und Hefe versorgt, sondern auch mit Mineralwasser. Wenn es nicht vom Discounter kommt, der das Wasser vorzugsweise in Kunststoff-Flaschen verkauft, könnten allerdings die Abfüllbetriebe durch die Hamsterkäufe von Mehrwegflaschen in die Bredouille geraten, den sprunghaft gestiegenen Bedarf nicht befriedigen zu können.

„Jetzt ist ein Revival der Getränkemärkte angesagt“, stellt der Bonner Getränkehändler Werner Vendel fest, der für die nächsten Jahre ein Verschwinden von bis zu 30 Prozent des hiesigen Getränkefachhandels vorhersieht. „Das Geschäft wird vor allem von den Supermärkten und Discountern übernommen“, so der Unternehmer, der in Bonn 23 000 Haushalte zu seiner direkt belieferten Kundschaft zählt.

„Vor allem zu Anfang der Corona-Krise war bei vielen Kunden ein Kauf von zehn Kästen Mineralwasser keine Seltenheit“, sagt Pierre Göddertz vom Getränkefachmarkt Hoffmann in Dransdorf. Die Geschäfte seien gut gelaufen. Allmählich würde sich die Lage auch wieder normalisieren. Als anfänglich das Leergut zu knapp wurde, hat man in dem Markt eine zusätzliche Prämie von 50 Cent pro Kasten ausgegeben, was den Rücklauf erheblich beschleunigt hätte. Engpässe habe es in der Hoffmann-Filiale zu keiner Zeit gegeben.

„Um das Leergut streiten sich jetzt die Abholer“, berichtet Thomas Kasnitz, der soeben bei Göddertz Neuware geliefert und Leergut in Empfang genommen hat. Als Fahrer eines Getränkegroßhandels erlebt er einen regelrechten Kampf um die Mehrwegflaschen. Seinem zufriedenen Lächeln nach zu urteilen, konnte er ihn soeben für sich entscheiden. Abfüller wie Rhodius und Tönissteiner haben begonnen, individuelle Kisten und Flaschen auf den Markt zu bringen, um sich ihr eigenes Leergut zu sichern, berichtet Kasnitz.

„Darauf haben allerdings viele Händler negativ reagiert“, sagt Vendel. Sie würden den Sonderweg nicht mitmachen, da ihnen für die Individualflaschen der Abfüller der Platz fehle. Zudem führte das erhebliche erhöhte Pfandgeld von 6,50 Euro für die Sonderkisten und -flaschen dazu, dass diese Marken vielfach gar nicht mehr gelistet würden. So bleibt auch Vendel ein überzeugter Verteidiger des vorhandenen Mehrwegsystems und verzichtet – wo immer möglich – auf Getränke in Kunststoffflaschen. Während seine Hausbestellungen und -lieferungen mit Beginn der durch Covid-19 bedingten Einschränkungen rasant zugenommen haben – „100 Neukunden in drei Tagen“ –, muss er herbe Verluste im ansonsten so lukrativen Eventbereich verkraften. Seine 25 Anhänger, die normalerweise in der nun beginnenden Freiluft-Saison in stetigem Einsatz sind, stehen nun abgemeldet auf dem Hof an der Heerstraße. Auch das bereits eingekaufte und gelagerte Fassbier, was die inzwischen abgesagten Feste zum 1. Mai versorgen sollte, wird nicht mehr zur Auslieferung kommen.

Jürgen Linke, der seit 25 Jahren seinen Getränkehandel in Poppelsdorf betreibt, stellt parallel fest, „es wird jetzt zunehmend mehr Bier verkauft.“ Aber das sei normal, da die Kneipen und Gaststätten geschlossen sind, sagt er. Er habe keine sonderlichen Aufs oder Abs durch Corona erlebt. Inzwischen würden seine Kunden auch die Abstandsregeln ernst nehmen und Verständnis für die Plexiglasscheibe vor seiner Kasse entwickeln. „Manche Biersorten bekommen wir schon seit zwei Wochen schon nicht mehr“, sagt dagegen Göddertz, der Engpässe lediglich bei kleinen Brauereien und Billig-Bier-Anbietern sieht.

Der in Bonn sitzende Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF) veröffentlichte, dass die Deutschen in der Corona-Krise insgesamt verstärkt zu Fruchtsäften greifen. „Damit wächst der Konsum gegen den Trend der letzten Jahre, in denen sich der Markt leicht rückläufig zeigte“, so VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger. Für den positiven Trend vermutet er in der aktuellen Situation die positive Bewertung der Fruchtsäfte als gesundem Naturprodukt. Auch in seinem Verband tue man alles, um die Verbraucher zur Rückgabe der Mehrwegflaschen zu bewegen, denn die Leergut-Situation sei auch dort angespannt. Beruhigend ist die Antwort auf die Anfrage des GA von Detlef Groß von der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke: Er sehe keine strukturellen Versorgungsengpässe. „Aber mit Blick auf den nahenden Sommer ist es trotzdem wichtig, das entsprechende Bewusstsein bei Verbraucherinnen und Verbrauchern für die Bedeutung der Leergut-Rückgabe zu stärken, um solche Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort