Lebenswichtige Schläuche gekappt Bonner Gericht spricht Sohn nach Tod der Mutter frei

Bonn · Das Schwurgericht Bonn hat einen 43-Jährigen, der bei seiner 78-jährigen Mutter in einem Krankenhaus lebenserhaltene Gerätschaften entfernte, freigesprochen. Der Angeklagte leidet unter einer schizophrenen Psychose.

Alles, was er wollte, war, seiner Mutter zu helfen. Den Anblick der 78-Jährigen, die nach einem Sturz im Wachkoma lag, konnte der Sohn nicht ertragen. So beschloss er, die Mutter zu befreien: Er riss ihr im Krankenhaus die Sauerstoffmaske vom Gesicht, drehte die Sauerstoffzufuhr ab, zog den Venenkatheter, der durch den Hals gelegt war, und die Magensonde. Schließlich kappte er noch den Alarmknopf auf dem Monitor am Patientenbett.

Dass seine Mutter hierdurch hätte sterben können, habe er völlig verkannt, hieß es gestern im Urteil des Bonner Schwurgerichts. Stattdessen glaubte der 43-Jährige, dass er ihr „die Hölle erspare“ und es ihr ohne Schläuche viel besser gehen müsse. Als das alarmierte Klinikpersonal die Lebensgefahr entdeckte und die Patientin wieder stabilisierte, blieb der Sohn am Bett der Mutter sitzen, knabberte weiter Chips und trank Cola.

Das Bonner Schwurgericht hat den gelernten Zeitungsdrucker vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen; die Tat habe er im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen. Seit über 20 Jahren leidet der Angeklagte an einer schizophrenen Psychose, die erstmalig 1997 aufgetreten war und mittlerweile chronisch ist.

An dem 9. September 2018, als er seine Mutter in der Neurochirurgie der Uni-Klinik besucht habe, so Kammervorsitzender Josef Janßen, sei der Mann hochpsychotisch gewesen und habe seine „verkabelte“ Mutter von den quälenden Schläuchen befreien wollen. Dabei habe er nie den Plan gehabt, sie zu töten. Die Bonner Richter haben ihm die Version abgenommen: Das ist „keine Schutzbehauptung, sondern eine krankhaft bedingte Fehlvorstellung“, so Janßen. Aber wegen der Gefährlichkeit, die von dem 43-Jährigen für seine Mitmenschen ausgeht, hat die Kammer seine Unterbringung in eine Psychiatrische Klinik angeordnet.

„Eigentlich hätte der Angeklagte in seinem Zustand gar nicht frei herumlaufen dürfen“, hieß es im Urteil. Denn erst zwei Wochen zuvor war er aus der Bonner Landesklinik entlassen worden; offenbar ohne ausreichend medikamentös abgesichert zu sein. Seine Geschwister wie auch der Betreuer hatten im Prozess als Zeugen bestätigt, dass er damals hochpsychotisch gewesen war. Auch bei seiner Festnahme in der Klinik wirkte er „verwirrt, verwahrlost und schaute durch die Beamten durch“.

Zwei Wochen nach dem Vorfall starb die Mutter tatsächlich – an einem Schlaganfall. Ihr Tod, so Richter Janßen, habe keinen Zusammenhang mit der „fürsorglichen“ Manipulation ihres Sohnes gehabt. Dennoch fühlt sich der 43-Jährige schuldig an ihrem Sterben: „Ich habe einen Fehler gemacht“, hatte er zu Prozessbeginn eingeräumt. „Ich hoffe, sie ist jetzt an einem besseren Ort.“

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