Demenzforschung Bonner Forscher finden wichtiges Puzzleteil gegen Alzheimer

Bonn · Bonner Forscher untersuchen, welche Rolle Entzündungen im Gehirn bei Alzheimer spielen. Der Antwort auf das Rätsel sind sie nun ein Stück näher gekommen.

 Professor Michael Heneka ist Arbeitsgruppenleiter am DZNE und Direktor an der Uniklinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie.

Professor Michael Heneka ist Arbeitsgruppenleiter am DZNE und Direktor an der Uniklinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie.

Foto: UKB

Rund 200.000 Menschen pro Jahr erkranken in Deutschland an Alzheimer. Was die Krankheit genau auslöst, ist noch immer nicht völlig klar; auch eine wirksame Therapie gibt es bislang nicht. Bonner Forscher des Universitätsklinikums und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) haben jetzt ein weiteres Teil ins Erkenntnis-Puzzle gesetzt: Sie fanden heraus, dass auch Entzündungsprozesse im Gehirn zum Mechanismus der Krankheit gehören. Ihre Untersuchungen erfolgten mit Experten aus den USA; sie sind im Fach-magazin „Nature“ erschienen.

Im Zuge der Alzheimer-Erkrankung verkleben winzige Eiweißstoffe miteinander, die „Amyloid-Beta-Peptide“, kurz „A-Beta“ genannt. Dass sich diese Verklumpungen (fachlich „Aggregate“) im Gehirn ablagern, scheint mit verantwortlich für die Schädigung der Nervenzellen im Denkorgan zu sein; zudem hat die Forschung her-ausgefunden, dass solche Ablagerungen entzündliche Prozesse in Gang setzen. Den Anstoß dafür gibt das „angeborene Immunsystem“ im Gehirn – es heißt so, weil seine Funktion genetisch festgelegt ist und es nicht wie das „adaptive“ Immunsystem variabel reagiert.

„Die Ablagerung und Ausbreitung von A-Beta beginnt wahrscheinlich Jahrzehnte bevor erste klinische Symptome auftreten“, erklärt Professor Michael Heneka, Arbeitsgruppenleiter am DZNE und Direktor an der Uniklinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie. „Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte daher ein Schlüssel zu neuen Therapie-Ansätzen sein. Hier ginge es darum, Alz- heimer im Früh-stadium zu behandeln, bevor sich Beein- trächtigungen bemerkbar machen.“

Fraglich war bislang, ob Entzündungsreaktionen aus dem angeborenen Immunsystem nur Folge der Krankheit sind oder auch Ursache. Schon vor vier Jahren haben Heneka und Kollegen dazu herausgefunden, dass das „NLRP3“ eine Schlüsselrolle spielt: Das ist ein Komplex von Proteinen, der im Gehirn von Alzheimer-Patienten aktiviert ist und dazu führt, dass das angeborene Immunsystem entzündungsfördernde Substanzen produziert. Außerdem verbindet er sich dann mit dem Eiweißmolekül ASC, so dass eine weitere Art von „Aggregaten“ entsteht, die „ASC-Specks“.

Die neue Untersuchung zeigt, dass sie auch von aktivierten Immunzellen des Gehirns freigesetzt werden, den „Mikroglia“. Bislang sei das nur von einer anderen Sorte Zellen bekannt gewesen, den „Makrophagen“, sagt Professor Eicke Latz, Leiter des Instituts für Angeborene Immunität der Bonner Uniklinik; erst vor 14 Tagen erhielt er mit seinem früheren Mitarbeiter Professor Veit Hornung (jetzt LMU München) einen Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG.

Außerhalb der Zellen verbinden die Specks sich mit A-Beta und fördern dessen Ablagerung. „Das trägt direkt zur Krankheitsentwicklung bei“, sagt Heneka. Im Tierversuch an Mäusen analysierten die Forscher die Wirkung der ASC-Specks und des Proteins ASC auf die Ausbreitung von A-Beta-Ablagerungen; zudem untersuchten sie an menschlichen Hirnzellen die Rolle von Entzündungsreaktionen bei der A-Beta-Verklumpung. „Zusammenfassend legen unsere Ergebnisse nahe, dass Entzündungen des Gehirns nicht nur eine Begleiterscheinung der Alzheimer-Krankheit sind. Sie tragen vielmehr dazu bei, dass die Erkrankung voranschreitet“, erklärt der Experte. „Eine Beeinflussung dieser Immunantwort könnte daher neue Möglichkeiten auftun, Alzheimer zu behandeln.“

Der Fachartikel Carmen Venegas, Sathish Kumar et al.: Microglia-derived ASC specks cross-seed ß-amyloid in Alzheimer’s disease. Artikelkennziffer (DOI): 10.1038/nature25158.

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