"Bei großer Hitze hilft nur Wässern" Bonner Chef des Amtes für Stadtgrün im Interview

Bonn · Dieter Fuchs weist den Vorwurf des radikalen Heckenschnitts auf den Bonner Friedhöfen zurück. Außerdem erklärt der Chef des Amtes für Stadtgrün, wo seine Mitarbeiter besonders gefordert sind.

 Auch die Rheinaue mit ihren 120 Hektar Grünfläche gehört zum Verantwortungsbereich des Amtes für Stadtgrün. Rund 15 Mitarbeiter kümmern sich nur darum.

Auch die Rheinaue mit ihren 120 Hektar Grünfläche gehört zum Verantwortungsbereich des Amtes für Stadtgrün. Rund 15 Mitarbeiter kümmern sich nur darum.

Foto: Benjamin Westhoff

Herr Fuchs, kürzlich gab es einige Aufregung um Rodungsarbeiten auf Bonner Friedhöfen. Bürger beklagten sich über einen radikalen Kahlschlag. Was ist da passiert?

Dieter Fuchs: Es gab vor einigen Jahren einen Ratsbeschluss, dass Hecken auf Friedhöfen weitgehend entfernt werden sollten. Der Hauptgrund liegt darin, dass Hecken relativ pflegeaufwendig sind. Allerdings gehen wir dabei weiterhin sensibel vor, weil wir auch um den ökologischen Wert dieser Hecken wissen. Zusätzlich gibt es aber auch unter dem doch eher älteren Publikum auf dem Friedhof ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und freie Sicht. Aber wir haben immer noch zwölf Kilometer Hecken auf den Bonner Friedhöfen, von einem Kahlschlag kann wirklich keine Rede sein.

Aber es gibt jetzt Ihrerseits auch nicht die Initiative, diesen Ratsbeschluss umzukehren?

Fuchs: Wir werden dieses Thema auf jeden Fall noch einmal mit der Politik besprechen. Das Besondere an Bonn ist die dezentrale Friedhofslandschaft. Während es in vielen anderen Städten große Zentralfriedhöfe gibt, haben wir 40. Sie sind daher einerseits klimatisch von großer Bedeutung und andererseits als ökologische Nische im Stadtgebiet sehr wichtig. Und daher werden wir Rodungsarbeiten noch mal überdenken, was wir aber im Einzelfall immer machen. Allerdings geht es aus ökologischer Sicht nicht um die einzelne Hecke, sondern um die Vielfalt auf dem Friedhof. Das heißt, es müssen auch Freiflächen da sein, Hecken, Bäume, Rasenflächen, Wiesen. Am Südfriedhof wandeln wir derzeit Flächen in Richtung ökologische Vielfalt um. Zum Beispiel bauen wir Bienenhotels und andere Lebensorte für Insekten und seltene Fauna.

Die Umwandlung von Friedhöfen in Bauland, wie sie teilweise diskutiert wird, würden Sie offenbar nicht verfechten?

Fuchs: Ganz klar: Wir haben hier in Bonn relativ viel Platz auf den Friedhöfen, aber wir müssen bedenken, dass wir bei der Vergabe von Grabstätten von einem Zeitraum von 15 bis 40 Jahren sprechen. Wenn wir heute beerdigen, hat der Nutzungsberechtigte durchschnittlich die Grabstätte für 25 Jahre gekauft. In diesen Zeiträumen denken wir. Und wir gehen schon jetzt davon aus, dass wir aus demografischen Gründen in den nächsten Jahrzehnten doch nicht so viel Platz abgeben müssen, wie wir vorher dachten.

Immer wieder gibt es auch Klagen darüber, dass Rad- und Fußwege zuwuchern – besonders in den extremen Wachstumsphasen. Wie eng sind Sie da am Ball?

Fuchs: Wir haben ein sehr agiles Bürgertelefon, wo Informationen und Beschwerden direkt in Geodaten einfließen und die zuständigen Kollegen vor Ort informiert werden. Wenn es um Verkehrssicherheit geht, behandeln wir das selbstverständlich prioritär. Oft allerdings ist gar nicht die Stadt zuständig, weil es sich um private Grundstücke handelt, auf denen es wuchert. Auch hier tritt die Stadt zuweilen mit den Eigentümern in Kontakt. Ein Problem ist sicherlich, dass wir in den besonders wachstumsstarken Zeiten mehr Personal gebrauchen könnten. Aber wir können nicht im Frühjahr 20 Leute einstellen und sie dann im Herbst wieder entlassen.

Gibt es denn bei Ihnen so etwas wie eine schnelle Eingreiftruppe?

Fuchs: Nein, so etwas haben wir nicht, aber wir haben die Gartenmeisterbezirke vor Ort. Die Meister betreuen einen klar begrenzten, überschaubaren Bereich, kennen ihre Flächen und wenn es notwendig ist, sind sie auch schnell vor Ort.

Kann man die Fremdvergabe Ihrer Aufgaben quantifizieren?

Fuchs: Ganz grob zehn Prozent. Hauptsächlich werden Flächen im Bereich Verkehrsgrün und die Wiesenmahd extern vergeben. Im Baumbereich machen wir außer einzelnen Fällungen alles selbst.

Was machen Sie eigentlich mit dem Grünschnitt?

Fuchs: Unterschiedlich. Äste und Zweige werden in der Regel gehäckselt und wieder in der Pflanzung verteilt. Laub hingegen wird über Bonnorange gesammelt und kompostiert.

Apropos Laub. Kürzlich war zu lesen, dass die Stadt die Laubbläser auf Akkubetrieb umstellen will. Wie ist da der Stand der Dinge?

Fuchs: Bei Neuanschaffungen greifen wir inzwischen auf akkubetriebene Geräte zurück, auch wenn man bei gewissen Gerätetypen mit Leistungsbeschränkungen rechnen muss. Insgesamt hat die Stadt derzeit 136 Laubblasgeräte, davon bislang 18 mit Akkubetrieb. Insgesamt haben wir bei 476 Kleingeräten 149 elektrisch/ Akkubetriebene.

Sie haben skizziert, dass Sie unterschiedliche Arbeitsbereiche abdecken? Können Sie veranschaulichen, was da den größten Teil ausmacht?

Fuchs: Die Bereiche, die am meisten Personal binden, sind eindeutig die Gehölze und die Rasenpflege. In der Baumpflege ist eine eigene Kolonne mit 13 Leuten unterwegs.

Ist die Zahl der Bäume in den letzten Jahren zurückgegangen? Ersatzpflanzungen sind ja immer wieder ein Thema – nicht zuletzt mit Blick auf die Finanzierung.

Fuchs: Nein. Im Bereich Verkehrsgrün versuchen wir jeden Baum zu ersetzen, auch wenn es aus Personalmangel zur Zeit einige Rückstände gibt, welche aber voraussichtlich noch in diesem Jahr behoben werden. Dazu kommt, dass Straßenbäume nicht so eine lange Lebensdauer haben. Die Lebensbedingungen für diese Bäume sind extrem, so dass sie nicht viel älter als 60 bis 70 Jahre werden. Die meisten Bäume in Bonn wurden nach dem Krieg gepflanzt und kommen jetzt vermehrt in die Jahre, weshalb wir eine Reihe an Fällungen machen müssen.

Welche Auswirkungen hatte der trockene, heiße Sommer 2018 auf Ihre Arbeit?

Fuchs: Wir haben in etwa 100 zusätzliche Bäume verloren, vor allem die Straßenbäume haben gelitten. Gehölze und Rasenflächen haben sich hingegen gut erholt. Hinzu kommt die Rußrindenkrankheit als Folge des heißen Sommers. Zudem breitete sich der Borkenkäfer aus.

Konnten Sie aus der Extremsituation etwas lernen? Was würden Sie im nächsten heißen Sommer anders machen?

Fuchs: De facto können wir nur versuchen zu wässern. Allerdings braucht ein rund 50 Jahre alter Baum gut und gerne 500 bis 1000 Liter, damit überhaupt etwas an den Wurzeln ankommt. Das sollten auch Anwohner wissen, die sich dankenswerterweise um die Pflanzbeete vor ihren Häusern kümmern. Wenn wir wässern, dann tun wir es nur bei Bäumen bis etwa zum 15. Standjahr, denn nur da lohnt es sich. Wir haben unsere Wasserkapazitäten erhöht und neue Fahrzeuge angeschafft. Aber sollte tatsächlich erneut ein so heißer Sommer anstehen, wären wir auch wieder auf die Hilfe von THW und Freiwilliger Feuerwehr angewiesen.

Und inwiefern spielt das Thema Klimawandel eine Rolle bei Ihren Entscheidungen?

Fuchs: Wir stellen natürlich die Arten-und Sortenwahl insbesondere für die Straßenbäume auf die sich ändernden Bedingungen um. Dazu gibt es jahrelange Versuchsreihen von Universitäten und auch der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz, an denen wir uns auch orientieren, aber auch selber neue Bäume testen.

Eine ganz andere Frage: Häufig hört man von Diebstahl aus Beeten und Pflanzkübeln. Was tun Sie dagegen?

Fuchs: Ja, das Problem existiert. Meistens handelt es sich um puren Vandalismus. Wir haben seit kurzem ein Gemeinschaftsprojekt mit der Universität: Dabei pflanzen wir am Leinpfad und am Windeckbunker alte Nutzpflanzen. Sobald sie Früchte tragen, können sie geerntet werden. Am Leinpfad wurden uns die Pflanzen bereits zweimal herausgerissen. Ich kann es Ihnen nicht erklären. Vermehrt äußern Bürger den Wunsch, die Beete mit Zierpflanzen durch Kräuter oder Stauden zu ersetzen. Und auf diese Wünsche gehen wir auch ein. Gewisse Bereiche mit Schmuckpflanzen wie beispielsweise unterhalb des Beethovendenkmals oder des Alten Zolls werden aber selbstverständlich bleiben.

Welche Mittel setzen Sie eigentlich zur Schädlingsbekämpfung ein? Glyphosat?

Fuchs: Gar nichts. Wir sind gemäß Ratsbeschluss herbizidfrei seit 1982.

Dann verraten Sie doch bitte unseren Lesern Ihre Tricks!

Fuchs: Wir haben Flammgeräte, wir jäten Unkraut und akzeptieren die Natur. Auch in den Städten geht der Trend dahin, der Natur mehr Raum zu lassen. Auf einer Podiumsdiskussion riet kürzlich jemand, die Stadt möge weniger pflegen und auch mal Brennnesseln in der Innenstadt wachsen lassen. Dort finde ich diese Art der Ruderalvegetation eher unpassend. Aber an einigen Stellen sollten sie schon wachsen dürfen.

Bald steht bei Ihnen ein Umzug an. Können Sie dazu noch ein paar Worte sagen?

Fuchs: Die Idee entstand aus der doch relativ beengten Situation im Stadthaus. Und wir haben Liegenschaften, die sanierungsbedürftig sind. 2015 wurde dann ein Umzug beschlossen und mit der Planung begonnen. Jetzt haben wir ein Gelände, in der Justus-von-Liebig-Straße, und einen Architekten gefunden. Wir werden höchstwahrscheinlich 2021/22 mit etwa 110 Mitarbeitern dorthin umziehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort