Autor mit Down-Syndrom Bonner Achim Priester veröffentlicht Märchenbuch

Bonn · Achim Priester hat Down-Syndrom und mit 58 Jahren sein erstes Buch veröffentlicht. Doch der Traum vom Schriftsteller sein war schnell beendet. Inzwischen leidet er an Demenz.

Es ist ein kleines goldfarbenes, es ist ein kostbares Buch. Es ist die erste Veröffentlichung eines Bonners mit Down-Syndrom, der von sich gesagt hat: „Wenn jemals meine Geschichten und Gedichte in weiter Welt ja einmal bekannt würden, würde ich mich sehr freuen.“ Jetzt ist es soweit: „Das goldene Birkenzweiglein und andere Märchen“ liegt vor – doch sein Autor Achim Priester kann sich leider nicht mehr dazu äußern.

Durch eine rapide voranschreitende Demenz entgleitet der 58-Jährige genau jetzt aus seinem so erträumten Schriftstellerleben, da dieses endlich gekrönt wird. Kürzlich bei der internen Buchvorstellung im Wohnheim Caritas-Haus Nazareth in Königswinter-Ittenbach sei immerhin für einen Augenblick ein Lächeln über sein Gesicht gehuscht, berichtet Caritas-Mitarbeiterin Dörte Staudt über den Mann, der sich Jahre zuvor geschworen hatte, bis zum „Geht-nicht-mehr“ zu schreiben.

Das kleine goldfarbene Buch spiegelt also eine ebenso glückliche wie tragische Geschichte. Autor ist einer, der, seit er 14 Jahre alt war, bekannte, er könne sich kaum eine schönere Beschäftigung vorstellen als das Schreiben: Geschichten und Märchen, aber auch Limericks und humoristische Klapphornverse. „Achim liebt Bücher und hat immer sehr viel gelesen,“ erläutert die Herausgeberin Bärbel Peschka. Sie ist mit Katja de Braganca Herausgeberin des „Ohrenkuss“, eines in Bonn produzierten Magazins von ausschließlich Autoren mit Down-Syndrom.

Auch Achim Priester, der von 1978 bis 2017 in den Bonner Werkstätten der Lebenshilfe arbeitete, hat seit 2013 einige Zeit im Redaktionsteam mitgewirkt. Zu seinen Lieblingsautoren zählen Otfried Preußler und James Krüss. Aber auch J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ habe er verschlungen, berichtet Peschka. Mit Preußler habe Priester sogar eine Brieffreundschaft gepflegt. „Er hat ihn einfach angeschrieben. Und dann haben sie Limericks ausgetauscht.“

"Sprachliche Hochbegabung"

Wie produktiv Priester selbst war, sei ihr klar geworden, als sie 2016 mit seiner rechtlichen Betreuerin Brigitte Petersen aus dem Nachlass von Priesters Eltern plötzlich zwei Umzugskartons mit von oben bis unten sauber vollgeschriebenen Heften sichtete: Der Sohn eines Astrophysikers und einer Mathematikerin hatte in seiner gestochen klaren Schrift und mit einem ungeheuren sprachlichen Feingefühl so unterschiedliche Genres zu Papier gebracht, dass Peschka von „literarischen Schätzen“ spricht. „Die Texte brachten uns zum Lachen. Sie erstaunten uns durch ihre Komplexität. Sie rührten uns“, sagt Peschka. Die Texte stünden für sich: Priester habe eigenwillig, aber so gut wie fehlerfrei geschrieben. „Dieser Mann mit Down-Syndrom hat eine sprachliche Hochbegabung.“

Die schimmert denn auch wirklich durch die sieben Geschichten hindurch, die Priester zu diesem „Märchenkarussell“ zusammengefügt hat. Von armen Bäuerlein, die so arm waren, dass sogar die ärmste Kirchenmaus dagegen reich erschien, erzählt er trefflich im Ton der Brüder Grimm, von schwatzhaften Königen, Hexen und Zwergen mit roten Zipfelmützen. Bei aller Farbigkeit des auch humorvollen Ausdrucks spenden diese Märchen sicher nicht nur Kindern vor allem Trost. Auch in der vertracktesten Situation gibt es immer einen Weg zum Glück. Dieser Autor liebt das Leben.

Im Aktion-Mensch-Kalender 2016 hat er berichtet, dass die Ärzte seinen Eltern geraten hätten, ihn weit weg in ein Heim zu geben, ihn zu vergessen und ein neues Kind zu bekommen. „Nur weil ich ein Down-Syndrom habe.“ Doch die Eltern hätten das mitnichten befolgt. Ihr Sohn hat so viele glückliche Erinnerungen. „Es war immer wunderschön, mit den Eltern zu wandern.“

Achim Priester, Das goldene Birkenzweiglein, Bonn 2017, 19,90 Euro, zu bestellen bei: Ohrenkuss, 0 228/3 86 23 54, www.ohrenkuss.de.

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