Bauprojekt am Bonner Hauptbahnhof Sridharan akzeptiert Millionen-Forderung des Urban-Soul-Investors

Bonn · „Die Developer“ setzen 7,8 von geforderten 12,5 Millionen Euro Residualkosten durch. Doch es könnte noch viel mehr werden. Dass Investor und Generalunternehmer zum selben Konzern gehören, sieht das Rechnungsprüfungsamt kritisch.

 Da herrschte noch eitel Sonnenschein: Beim Richtfest für das Urban-Soul-Projekt präsentierten sich die Konzernschwestern „Die Developer“ und Zechbau gemeinsam.

Da herrschte noch eitel Sonnenschein: Beim Richtfest für das Urban-Soul-Projekt präsentierten sich die Konzernschwestern „Die Developer“ und Zechbau gemeinsam.

Foto: Benjamin Westhoff

Oberbürgermeister Ashok Sridharan hat am Mittwoch millionenschwere Forderungen des Urban-Soul-Investors „Die Developer Projektentwicklung GmbH“ schriftlich anerkannt. „Um Schaden von der Stadt abzuwenden, haben wir einen Teil der Forderungen akzeptiert, einen weiteren Teil abgelehnt und für einen dritten Teil Einwendungen erhoben“, teilte der OB am Nachmittag auf GA-Anfrage mit. Die vertraglichen Regelungen mit dem Investor hätten keinen Spielraum für eine andere Entscheidung gelassen.

Laut interner Papiere der Stadtverwaltung hatte die Kommune gemäß dem Kaufvertrag für die Baugrundstücke am Hauptbahnhof nur vier Wochen Zeit, die abgerechneten Kosten zur baureifen Herrichtung (innere Residualkosten) zu prüfen, die vom Kaufpreis abgezogen werden. Diese Frist lief am Mittwoch ab. Ohne Reaktion der Stadt wäre die volle Summe fällig gewesen, wie aus den Unterlagen hervorgeht: rund 12,5 Millionen Euro, die der Investor in der ersten Märzwoche in Rechnung gestellt hatte. Ursprünglich wollte Sridharan gemeinsam mit den Ratsfraktionen eine Dringlichkeitsentscheidung treffen, bei der auch ein Stadtverordneter unterzeichnen muss. Das stieß zum einen auf Widerstand im Rat; zum anderen wies ein städtischer Berater aus der Anwaltskanzlei Meyer-Köring die Fraktionen darauf hin, dass der Vertrag bindend sei – ganz egal, was der Rat beschließe.

Und so musste der OB Kraft des eigenen Amtes entscheiden, nachdem sowohl die Kanzlei als auch die von der Stadt beauftragten Projektsteuerer aus der Firma Drees & Sommer die Abrechnung geprüft hatten. In der Dringlichkeitsentscheidung war vorgeschlagen, Forderungen von 7,8 Millionen Euro anzuerkennen, knapp eine Million „vorläufig“ abzulehnen und bei rund 3,7 Millionen Euro Einwendungen zu erheben. Es liegt nah, dass Sridharan dies am Mittwoch genau so festgelegt hat. Die Developer haben nun drei Wochen Zeit, die nicht anerkannten Forderungen mit Belegen zu untermauern. Im Streitfall soll es ein Schiedsverfahren mit einem Gutachter geben. Zu den inneren Residualkosten kommt später noch die Herrichtung der öffentlichen Plätze und Wege, die auf zwei Millionen Euro taxiert ist. Zusammen mit weiteren abzugsfähigen Kosten könnte der Erlös für die Stadt im ungünstigsten Fall von 23,5 Millionen auf rund 7 Millionen Euro sinken.

Die Kommune steht bei Urban Soul einem Großkonzern gegenüber: der Zech Group SE mit Sitz in Bremen. Die Developer gehören ebenso dazu wie die Zechbau GmbH, die von den Developern als Generalunternehmer mit der Errichtung der Gebäude (Hotel, Büros, Geschäfte, Parkhaus) beauftragt sind. Sprich: Die Rechnungen, mit denen die Developer den Kaufpreis der Grundstücke mindern, kommen von der Konzernschwester Zechbau. „Interessenverflechtungen“ seien da „zumindest nicht ausgeschlossen“ schreibt das städtische Rechnungsprüfungsamt (RPA) in einem vertraulichen Bericht.

Diese Rechnungen anzufechten, ist für die Kommune nicht einfach. Denn exakte Vorgaben, wie Residualkosten zu belegen sind, stehen nicht rechtsverbindlich im Kaufvertrag, sondern nur in einem „Leitfaden“ – was die RPA-Experten als inakzeptables Risiko für die Stadt kritisieren. Laut Bericht hat Drees & Sommer vor Vertragsabschluss ausdrücklich gewarnt: „Eine wachsweiche Formulierung wie ‚grober Orientierungsrahmen‘ hat keinerlei rechtliche Bindung und eröffnet dem Vertragspartner alle Möglichkeiten, eine Rechnung nach Gutdünken auszustellen und trotzdem einen Anspruch auf Ausgleich dieser Rechnung zu haben“, mailte der Berater am 27. Januar 2017 an den damaligen Abteilungsleiter Liegenschaften, der die Verhandlungen führte. „Sollte das Thema ungeregelt bleiben, muss ich meine Bedenken hinsichtlich der Prüfbarkeit von Forderungen des Vertragspartners aus Residualkosten anmelden.“

Die Developer waren laut Stadtverwaltung aber nicht bereit, einen schärfer gefassten Vertrag zu akzeptieren. Developer-Geschäftsführer Stefan H. Mühling erklärte dies am Mittwoch so: „Da wir, nicht zuletzt durch die Komplexität der Grundstücksverhältnisse, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht alle für Planung und Bau relevanten Kenntnisse über Baugrund und die baulichen Verhältnisse hatten, haben wir uns mit der Stadt auf eine in solchen Konstellationen übliche Art der Abrechnung verständigt.“ Die vorgelegte Abrechnung gehe „vielfach über die vertraglichen Nachweispflichten“ hinaus. Das RPA bemängelt nach einer Stichprobe allerdings die Qualität von Teilen dieser Residualkostenabrechnung.

Ausschuss soll klären, wer Verantwortung trägt

Die Ratsfraktionen wollen Ende April in einer Sondersitzung des Rechnungsprüfungsausschusses untersuchen, wer für die Zwangslage der Stadt verantwortlich ist. Die SPD schaltete zudem die Bezirksregierung ein. Oberbürgermeister Ashok Sridharan hatte den Vertrag mit den Developern 2017 zwar nach Lektüre genehmigt. Auf das Problem mit den Residualkosten und die Warnung von Drees & Sommer hätten ihn die verantwortlichen Mitarbeiter aber nicht hingewiesen, erklärte er sinngemäß am Freitag in einer Besprechung mit den Fraktionen. Er habe sich damals versichern lassen, dass der Vertrag von den Beschlüssen des Rates gedeckt sei. Die Fraktionen aber kannten das Residualkosten-Risiko bis vor kurzem gar nicht.

Der Liegenschaftsabteilungsleiter, inzwischen in den Ruhestand verabschiedet, habe zwar das vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip bei Vertragsabschlüssen eingehalten, heißt es im Rathaus. Nach GA-Informationen soll es sich dabei aber um eine untergebene Mitarbeiterin gehandelt haben.

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