Interview mit Ludger Sander „Bonn muss bescheidener werden“

Bonn · Ab nächster Woche, also ab 17. Oktober, ist Bonns Stadtkämmerer Ludger Sander im Ruhestand. Ein Gespräch über Schulden, das WCCB und den Rat.

Ludger Sander im GA-Gespräch

Ludger Sander im GA-Gespräch

Foto: Barbara Frommann

24 Jahre lang wachte er über den städtischen Haushalt. Jetzt übergibt Ludger Sander den Stab an seine im September vom Rat gewählte Nachfolgerin Margarete Heidler.

24 Jahre lang waren Sie Kämmerer der Stadt Bonn. Wie hat sich Bonns Finanzlage seit Ihrem Amtsantritt verändert und warum?

Ludger Sander: Die Finanzlage der Stadt war schon zu Beginn meiner Amtszeit 1992 aufgrund eines Gemeindefinanzsystems, das die Kommunen nicht mit den angemessenen Finanzmitteln ausstattet, sehr angespannt. Auch heute erhalten die Kommunen in NRW nicht annähernd die notwendigen Mittel, damit ein in Ertrag und Aufwand ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass die Aufgaben, die eine Kommune zu erledigen hat, nicht weniger, sondern mehr geworden sind, und dabei müssen auch noch höhere Standards erfüllt werden, als dies in den 1990er Jahren der Fall war.

Wie haben sich die Schulden entwickelt?

Sander: Zu Beginn meiner Amtszeit war die Stadt Bonn mit rund 650 Millionen Euro investiv verschuldet, heute beläuft sich die Verschuldung auf rund 1,7 Milliarden Euro, wovon über 720 Millionen Liquiditätskredite sind und damit laufender Konsum finanziert wird. Die Stadt hat unter anderem durch den Wegfall der Hauptstadtfunktion und die dadurch auf null gekürzten Bundes- und Landesmittel sowie durch die dynamisch weiter steigenden Sozialausgaben beträchtliche Summen verloren beziehungsweise zusätzliche Aufwendungen zu tragen.

Muss Bonn bescheidener werden?

Sander: Ja, Bonn muss auf jeden Fall bescheidener werden. Der von der Bezirksregierung vorgeschriebene Haushaltsausgleich 2021 muss Grundlage für städtisches Handeln sein, damit wir nicht unseren Selbstverwaltungsspielraum verlieren und fremdbestimmt durch die Kommunalaufsicht werden. Hierfür ist erforderlich, dass die Politik genau festlegt, wo sie Prioritäten setzen möchte und wo nicht! Ein Abbau der Verschuldung ist unabdingbar. Das ist aber nur dann möglich, wenn wir bestehende Einrichtungen reduzieren, die verbleibenden dann aber mit den notwendigen Mitteln versehen, um sie nachhaltig zu erhalten. Wir alle – Bürger, Rat und Verwaltung – sitzen in einem Boot und müssen in dieselbe Richtung rudern, um unsere Finanzen in gutes Fahrwasser zu bringen.

Glauben Sie, dass der von der Stadt geplante Haushaltsausgleich 2021 ohne Hilfe von außen (Bund/Land) gelingt?

Sander: Bund und Land müssen entsprechende Mittel zur Verfügung stellen, damit die Kommunen in NRW – und das gilt auch für Bonn – in die Lage versetzt werden, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Erste Schritte wurden seitens des Bundes und des Landes gemacht, diese sind aber noch nicht ausreichend. Leider erhält die Stadt Bonn auch aus dem vom Land eingeführten Stärkungspakt keine Mittel, da hier das Zugangskriterium der Überschuldung (negatives Eigenkapital) gewählt wurde. Dieses Kriterium ist aber nicht geeignet und spiegelt nicht die tatsächliche finanzielle Situation einer Stadt wider. Dies können nur – so wie auch in anderen Bundesländern – die Indikatoren „Kassenkredite“ oder die „Höhe des Schuldendienstes“ sein.

Wie bewerten Sie den WCCB-Bürgschaftsstreit zwischen Stadt und Sparkasse? Wäre eine gütliche Einigung nicht besser gewesen?

Sander: Aufgrund des laufenden Verfahrens werde ich hierzu keine Aussage treffen.

Wie hoch wird der neue Kongresssaal des World Conference Centers Bonn die Stadtkasse in den nächsten Jahren belasten?

Sander: Entsprechend der Haushaltsplanung 2017 bis 2024 wird der Erweiterungsbau des WCCB den städtischen Haushalt im Saldo durchschnittlich jährlich mit rund 5,8 Millionen Euro belasten. Die genannten Kosten sind aber nur die eine Seite der Betrachtung. Demgegenüber muss berücksichtigt werden, dass Kongressteilnehmer und die Mitarbeiter der UN und Nichtregierungsorganisationen nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2010 schätzungsweise Umsätze in Höhe von 114 Millionen Euro jährlich generieren.

Wie bewerten Sie rückblickend die Zusammenarbeit mit den Ratsfraktionen?

Sander: In der Regel gut, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren. Meist ist man nach intensiven Diskussionen zu konstruktiven und gemeinsam getragenen Lösungen gekommen.

Was war Ihr positivstes Erlebnis als Kämmerer, was Ihr negativstes?

Sander: Positiv für mich war vor allem die Begegnung mit vielen Menschen, die sich sehr engagiert für ihre Sache einsetzen. Ich habe vor allem immer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehabt, mit denen ich vertrauensvoll zusammenarbeiten konnte und die Entscheidungen gewissenhaft vorbereitet und vertreten haben. Als besonders negatives Ereignis habe ich die erheblichen Rückzahlungen von Gewerbesteuern in Erinnerung, die unseren Haushalt stark belastet haben.

Welche Pläne haben Sie?

Sander: Mehr Zeit für meine Familie und für meine Freunde zu haben; nicht mehr an Wochenenden durchzuarbeiten und mehr Sport zu machen. Natürlich werde ich auch weiter der Finanzpolitik verbunden bleiben und mich mehr der wissenschaftlichen Arbeit im Bereich der nachhaltigen Finanzpolitik widmen.

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