Zukunft nach Lead City Bonn rechnet mit sieben Millionen Euro Mehrkosten für Bus und Bahn

Bonn · Die Stadt Bonn will einen Teil der Lead-City-Maßnahmen im ÖPNV beibehalten und rechnet nicht mit Fördermitteln vom Bund. Insgesamt kämen auf die Kommune damit Kosten in Höhe von mehr als sieben Millionen Euro zu.

 Die Taktverdichtung unter der Woche haben auf den Bonner Stadt- und Straßenbahnlinien Fahrgastzuwächse von vier Prozent gebracht, an den Wochenenden 20 Prozent.

Die Taktverdichtung unter der Woche haben auf den Bonner Stadt- und Straßenbahnlinien Fahrgastzuwächse von vier Prozent gebracht, an den Wochenenden 20 Prozent.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Stadtverwaltung hat dem Rat Vorschläge unterbreitet, wie es nach dem Auslaufen des vom Bund geförderten Lead-City-Programms mit dem Nahverkehr weitergehen soll. Das Planungsamt empfiehlt vorbehaltlich der Zustimmung des involvierten Rhein-Sieg-Kreises, einen Teil des Angebots beizubehalten. Kostenpunkt für die Stadt: 7,27 Millionen Euro pro Jahr.

Nach bisherigem Stand muss die Kommune die Finanzierung selbst übernehmen. Das Pilotprojekt zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes läuft 2020 aus. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Bund diese Förderung nicht fortsetzt“, erklärte Planungsdezernent Helmut Wiesner kürzlich im Finanzausschuss. Auch wenn es viel Geld koste: Die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs sei eine entscheidende Maßnahme, um Bonn klimafreundlicher zu machen.

Klaus-Peter Gilles (CDU) warnte jedoch vor den finanziellen Folgen für die Stadtwerke Bonn (SWB). Das jährliche ÖPNV-Defizit werde von 37 auf mehr als 50 Millionen Euro wachsen, weil die SWB auch die vom Rat beschlossene Anschaffung neuer Bahnen finanzieren muss. Da der kommunale Konzern diese Verluste nur begrenzt mit Energie-Gewinnen verrechnen kann, müsste die Stadt das Verkehrsdefizit ab 2023 ausgleichen – was aus Haushaltsgesichtspunkten „nur schwer zu verkraften“ sei, wie Kämmerin Margarete Heidler anmerkte. Sie muss ab 2021 einen ausgeglichenen Etat vorlegen. Die Entscheidung über eine Verlängerung von Lead-City-Maßnahmen sollte deshalb in den Haushaltsberatungen ab Dezember fallen, betonte Gilles, der auch SWB-Aufsichtsratsvorsitzender ist. Die Verkehrswende sei aber ein zentrales Thema, wandte Helmut Redeker (SPD) ein. Seine Partei will den Stadtvorschlägen folgen, die Maßnahmen aber danach auf Wirksamkeit prüfen.

Der Ausschuss vertagte den Beschluss ohne Votum in die Ratssitzung am 18. Juni. Vor der Sommerpause muss entschieden werden, sonst können die Wünsche nicht mehr zum Fahrplanwechsel im Dezember 2020 eingebracht werden. Vor dem Rat trifft sich der Verkehrsausschuss noch zu einer Sondersitzung. Die Fachpolitiker waren bei ihrer letzten regulären Sitzung wenig begeistert, dass die Verwaltung ihre Beschlussvorlage erst Stunden vor der Sitzung mit der Begründung der komplexen Thematik eingebracht hatte.

Die Stadt zieht ein positives Fazit zu Lead City: „Die Erhebungsergebnisse zeigen, dass nach wenigen Monaten erhebliche Fahrgaststeigerungen erreicht werden konnten. Je nach Linie betragen die Steigerungen bis zu 50 Prozent, am Wochenende teils noch mehr“, heißt es in der Vorlage. Die Taktverdichtung unter der Woche habe auf den Bahnlinien 61, 62, 63/16 und 66 Fahrgastzuwächse von vier Prozent gebracht, an den Wochenenden 20 Prozent. Nach aller Erfahrung sei das volle Potenzial damit noch nicht ausgeschöpft, denn es bedürfe einer längeren „Etablierungszeit“. Auch eine Haushaltsbefragung, an der 14.000 Personen teilnahmen, habe ergeben, dass die Taktverdichtung, besonders am Wochenende bei 80 bis 90 Prozent der Befragten gut angekommen seien. Die Vorschläge der Verwaltung im Einzelnen:

■ Die Taktverdichtungen am Wochenende sollen nur zum Teil bleiben. Für sie sprach bei Beginn von Lead City vor anderthalb Jahren vor allem, dass sie ohne zusätzliche Fahrzeuge zu bewerkstelligen sind. Für Neuanschaffungen blieb keine Zeit. Das Planungsamt schlägt nun in Anlehnung an Empfehlungen der SWB vor, die Taktverdichtungen am Wochenende auf allen Hauptstrecken samstags erst ab 11.30 Uhr anzubieten (statt bisher ab 9.30 Uhr). An Sonntagen will man zum alten Takt zurückkehren, auf den Buslinien 601 bis 604 und 608 bis 610 aber größere Gelenkbusse einsetzen. Durch diese Einschränkungen lägen die Kosten bei 2,2 Millionen statt 3,5 Millionen Euro.

■ An der Ausweitung des Zehn- und 20-Minutentakts auf den Hauptlinien bis 20.30 Uhr (vor Lead City bis 19.30 Uhr), um einer stärkeren Nachfrage in den Abendstunden nachzukommen, will die Verwaltung ebenfalls festhalten. Die Fahrgastzuwächse hätten laut Umfrage bei vier Prozent gelegen. 1,3 Millionen Euro hat die Stadt dafür zu bezahlen.

■ Die von SWB und der RSVG betriebenen Regionalbuslinien SB 55, 550, 551, 552 und 540/640, deren Fahrwege und -zeiten stärker an den Bedarf der Umlandgemeinden angepasst wurden, soll es weiter geben. Auf der Schnellbuslinie 55 nach Niederkassel sollen die Fahrgastzuwächse sonntags bei 85 Prozent gelegen haben. Die Kosten alleine für die Stadt betragen 1,8 Millionen Euro. Taktverdichtungen der Regionalbuslinien 520, 537, 817, 845, 855, 856 und 857 schlagen mit weiteren 1,2 Millionen Euro zu Buche.

■ Die neue Buslinie 632 als Verbindung zwischen Venusberg, Poppelsdorf, Endenich, Nordstadt und Beuel würde die Stadt in der bisherigen Form 1,1 Millionen Euro kosten. Das Planungsamt rät aber, einem Einsparvorschlag der SWB zu folgen und veranschlagt deshalb 770.000 Euro. Er sieht vor, die Linie samstags und sonntags einzustellen. Montags bis freitags führe die Linie nur zwischen Uniklinik und Bertha-von-Suttner-Platz. „Damit würde sich ein Einsparpotenzial von 330.000 Euro ergeben“, heißt es in der Vorlage. Diesen Vorschlag bezeichnete der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Rolf Beu (Grüne), als „völlig unsinnig“. Angesichts der im Bau befindlichen Verlängerung der S-Bahn 13 bis Beuel sei eine solche Linienverkürzung nicht hinzunehmen.

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