Gewerkschaften schlagen Alarm Bonner Kriminalpolizei ist überlastet

Bonn · Mehr Sexualdelikte, steigende Zahlen auch in Sachen Betrug: Die Bonner Kripo muss sich neuen Herausforderungen stellen. So werden auch die Anforderungen an die Bearbeitung von Fällen immer höher. Die Folge ist hoffnungslose Überlastung.

 Alarm bei der Bonner Polizei: Die Kommissariate sind überlastet, auch im Streifendienst läuft nicht alles rund.

Alarm bei der Bonner Polizei: Die Kommissariate sind überlastet, auch im Streifendienst läuft nicht alles rund.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Es sind zahlreiche neue Herausforderungen, denen sich die Bonner Kripo stellen muss. Denn auch wenn in einigen Bereichen die Fallzahlen sinken – mit Blick auf Betrug, Kindesmissbrauch und -pornografie steigen sie kontinuierlich an. Darüber hinaus werden die Anforderungen an die Bearbeitung immer höher, so Dirk Lennertz, Chef der Bonner Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ermittlungsgruppen und Sondereinsätze tun ihr Übriges. Mehr als 100 Fälle türmten sich auf manchem Schreibtisch, beschreibt Lennertz die Lage. Die Folge: Die Kommissariate sind hoffnungslos überlastet.

Mehr Enkeltricks und mehr falsche Polizisten machten den Beamten zu schaffen, sagt Hermann-Josef Borjans vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Bei Sexualdelikten wirke sich die Unterstützung anderer Behörden aus, außerdem seien die Opfer sensibler geworden: Mehr Anzeigen bedingten mehr Fälle. „Es ist wichtig, dass die Taten der Polizei bekannt werden, aber das Personal wächst nicht mit“, so Borjans, der hofft, dass in Bonn mit der neuen Kripo-Führung „zielorientiert Lösungen gefunden werden können“.

Behörde: Es muss immer umfangreicher ermittelt werden

Die Behörde selbst beurteilt die Situation ähnlich: „Alle Kommissariate weisen eine hohe Arbeitsbelastung auf“, heißt es. Doch mit Blick auf Betrug oder Sexualdelikte befinde man sich auf einem „grenzwertigen Niveau“. Es müsse immer umfangreicher und aufwendiger ermittelt werden, sagt Sprecher Robert Scholten. So gelte es, große Datenmengen – teils im Terabyte-Bereich – auszulesen. Hinzu komme, „dass einige Delikte wie insbesondere der Kindesmissbrauch neben der Arbeitsbelastung auch eine sehr hohe psychosoziale Belastung darstellen“.

 Einzelne Kripo-Dienststellen haben bereits Überlastungsanzeigen geschrieben. „In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit allen Beteiligten konnten Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Situation ergriffen werden“, so Scholten. Die Lösungen: kurzfristige personelle Verstärkung der betroffenen Kommissariate, Neuverteilung der Aufgaben, Optimierung der Arbeitsprozesse, Einstellung von Tarifbeschäftigten. Die Schwierigkeit: „Wir müssen beachten, dass wir durch mögliche Entlastungen keine Überlastungen an einer anderen Stelle verursachen“, so Scholten.

Zu niedrige Einstellungszahlen seien nicht das Problem, betont Lennertz. 2500 Kommissaranwärter haben zum 1. September landesweit ihren Dienst angetreten, 129 davon in Bonn. Aber: Die Durchfallquote ist laut Lennertz mit 18 Prozent sehr hoch. Außerdem seien zuvor, seit 2003, immer weniger Beamte eingestellt worden. Dieser Bruch sei trotz Kehrtwende nun spürbar. Hinzu kämen zahlreiche Pensionierungen.

Betroffen ist auch der Wach- und Wechseldienst

Betroffen sind laut Lennertz nicht nur die Kommissariate, sondern auch die Direktion Verkehr und der Wach- und Wechseldienst. „Die Wachen haben soviel Personal bekommen, wie sie statistisch für die angefallenen Einsätze brauchen“, erklärt er. Die Pensionierungen aber werden nicht einbezogen. Die Folge: „Jeder Beamte, der pensioniert wird, ist ein Minus.“ Mehr Polizei auf der Straße wird es also auf absehbare Zeit nicht geben? Man sei nicht weit davon entfernt, als Feuerwehrpolizei zu agieren, die nur noch bei Alarmierung reagiert, so Lennertz.

Die hohe Arbeitsbelastung bei Schupo und Direktion Verkehr räumt auch die Behörde ein. Neben den Einsatzfahrten und anderen Aufgaben wie Schwerpunkteinsätzen sei man aber auch anlassunabhängig unterwegs und zeige Präsenz auf der Straße. „Das dazu zur Verfügung stehende Personal ist ausreichend, aber in der Höhe auch erforderlich“, so Scholten. Das gelte auch für die Direktion Verkehr. „Dabei steht außer Frage, dass bei höherer Personalausstattung auftretende Spitzen besser aufgefangen werden könnten.“

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