Gesundheitsvorsorge in Bonn Krankenhäuser schränken Besuche drastisch ein

Bonn · Das Malteser Krankenhaus trifft strenge Vorsorgemaßnahmen, um das Coronavirus von den Patienten fernzuhalten. Ohne Kontrolle darf kein Besucher mehr das Gebäude betreten. Die Uniklinik verbietet auch werdenden Vätern den Zutritt.

 Im Malteser Krankenhaus in Bonn gilt ab sofort das Nadelöhrprinzip. Niemand kann das Krankenhaus mehr ohne Kontrolle betreten. Statt zehn gibt es nur noch einen Eingang.

Im Malteser Krankenhaus in Bonn gilt ab sofort das Nadelöhrprinzip. Niemand kann das Krankenhaus mehr ohne Kontrolle betreten. Statt zehn gibt es nur noch einen Eingang.

Foto: Nicolas Ottersbach

Wer in das Malteser Krankenhaus möchte, scheitert spätestens am Haupteingang. Niemand kommt mehr unkontrolliert hinein, statt zehn gibt es nur noch einen Zugang. Patienten werden kategorisiert, große rote Schilder weisen den Weg.

Es ist eine Struktur, wie man sie sonst nur aus Krisenregionen kennt. Kein Wunder: Konzipiert hat dieses Nadelöhrprinzip Notfallmediziner Tim Flasbeck, der regelmäßig in solchen Gebieten Notaufnahmen aufbaut. „Nur so können wir unsere Ressourcen an Hygieneartikeln schonen und alle Patienten, Mitarbeiter, Angehörige schützen“, sagt Flasbeck.

Er und seine Kollegen bereiten sich schon seit Wochen auf den schlimmsten Fall vor: Dass es einen Ansturm von Patienten gibt, die wegen des Coronavirus behandelt werden müssen. „Wie sich die Situation entwickelt, wissen wir nicht. Aber wir müssen vorbereitet sein“, sagt der stellvertretende ärztliche Direktor Joachim Schmidt. Bei einem überlasteten Gesundheitssystem kann sich niemand mehr auf die bestmögliche Versorgung verlassen.

 Niemand kann das Krankenhaus mehr ohne Kontrolle betreten.

Niemand kann das Krankenhaus mehr ohne Kontrolle betreten.

Foto: Nicolas Ottersbach

Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die Malteser-Mediziner derzeit bewegen. Zum einen müssen sie Kapazitäten schaffen, um viele Coronavirus-Infizierte mit schweren Krankheitsverläufen aufnehmen zu können, so will es der Notfallplan der Bundesregierung. Zum anderen muss der Normalbetrieb weiterlaufen, Unfallopfer oder Krebskranke brauchen ebenfalls Hilfe. Um das zu organisieren, gibt es einen Krisenstab, bei dem Ärzte, Geschäftsführung und Hygieniker zusammenkommen.  Knapp 400 Betten gibt es, zwölf davon sind für intensivmedizinische Fälle.

In der Bonner Uniklinik sind es sogar 1300, 120 davon intensiv. Sie aufzustocken ist eine Sache. Der Ansatz ist aber auch, die vorhandenen Betten für betroffene Menschen zu nutzen statt für Patienten, deren Behandlung nicht zeitkritisch ist. „Was an Operationen verschoben werden kann, verschieben wir. Aber es gibt natürlich Tumorpatienten, die nicht lange warten können“, sagt Schmidt. Um das Infektionsrisiko zu reduzieren, dürfen in der Uniklinik auch werdende Väter weder bei Untersuchungen noch bei der Geburt dabei sein. Auch einen Besuch auf der Wochenbettstation schließt das Krankenhaus auf seiner Homepage aus.

„Am schwierigsten ist, geschultes Personal zu finden“, erklärt Flasbeck. Intensivbetten könne man vergleichsweise einfach mit zusätzlichen Maschinen wie Beatmungsgeräten aufstocken, was derzeit auch passiere. Sie müssten jedoch bedient werden. Es wäre deshalb fatal, wenn Mitarbeiter durch das neue Coronavirus ausfielen und in Quarantäne müssten.

 Im Malteser Krankenhaus in Bonn gilt ab sofort das Nadelöhrprinzip. Statt zehn gibt es nur noch einen Eingang.

Im Malteser Krankenhaus in Bonn gilt ab sofort das Nadelöhrprinzip. Statt zehn gibt es nur noch einen Eingang.

Foto: Nicolas Ottersbach

Man bemüht sich schon jetzt um Reserven, schult Pflegepersonal, das in anderen Bereichen eingesetzt wird. Auch Ehrenamtliche und Ruheständler kommen dafür infrage. „Und generell dämmen wir die Infektionsgefahr für unsere Mitarbeiter ein.“ Darunter fällt auch die Schließung der geriatrischen Tagesklinik.

Die wirkungsvollste Methode ist laut Flasbeck das Nadelöhrprinzip, mit dem sich zum Beispiel auch Uganda vor der Ausbreitung des Ebolavirus schützt. Grundsätzlich dürfen Besucher nur noch in Ausnahmesituationen vorbeikommen, beispielsweise wenn ein Angehöriger im Sterben liegt oder wenn der Patient ein Kind ist. Die Tücke beim Coronavirus sei die große Zahl an Patienten ohne Symptome, was grundsätzlich eine gute Sache sei. „Die kriegen wir aber nicht erfasst. Deshalb lassen wir so wenig Besucher wie möglich herein.“

Wer in die Notaufnahme muss, wird rund um die Uhr untersucht, bevor er eintreten darf. Im Haupteingang sitzen zwei Schwestern, die jeden zu Symptomen und möglichen Coronavirus-Kontaktpersonen befragen. Wer auffällig ist, wird wieder weggeschickt und genauer begutachtet. Das übernimmt der Notaufnahmenkoordinator, er trägt eine Schutzmaske mit Plastikscheibe, die das ganze Gesicht bedeckt. Um mögliche Infizierte gar nicht erst in das Gebäude zu lassen, ist ein Zelt vor dem Haupteingang aufgebaut. Diejenigen, die kein Notfall sind und beispielsweise nur einen Abstrich für das neue Coronavirus machen wollen, werden an das städtische Diagnostikzentrum verwiesen.

Die Notfallpatienten unterteilen die Mediziner in drei Kategorien. In Kategorie eins fallen Personen ohne grippeähnliche Symptome, die ein medizinisches Problem haben und zum Beispiel mit dem Fuß umgeknickt sind. Kategorie zwei sind Patienten mit milden grippalen Symptomen, die  keinen begründeten Verdacht auf das Coronavirus aufweisen und deshalb die Ambulanz wieder verlassen können.

Kategorie drei sind die Patienten mit grippalen Symptomen, die auf jeden Fall abgestrichen und behandelt werden müssen. Entweder, weil  sich der Verdacht ergibt, zum Beispiel der Aufenthalt in einem Risikogebiet wie Italien. Oder Patienten die keinen begründeten Verdacht aufweisen, aber ganz erhebliche Grippesymptome zeigen. Alle Kategorie-Drei-Patienten bekommen einen Mundschutz und werden auf eine Isolierstation gebracht.

Dieser ganze Notfallbetrieb kostet. „Die Auslastung unserer Betten liegt im Normalfall bei mehr als 90 Prozent“, sagt Dieter Birr, der kaufmännischer Direktor des Malteser Krankenhauses ist. Als Wirtschaftsbetrieb müsse man kostendeckend arbeiten, das hochqualifizierte Personal will bezahlt werden. Deshalb sind gerade Intensivbetten mit ihren modernen Maschinen teuer, wenn sie leer sind. „Wir brauchen deshalb eine finanzielle Unterstützung des Landes, wenn wir jetzt alles freiräumen.“ Ohne sie sei jeder Krankenhausbetrieb gefährdet. „Dann kann man Konkurs anmelden, bevor überhaupt der erste Coronavirus-Patient kommt.“

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