Kunstwerke am Wegesrand Bonn hat einen Stadtstreifer, der immer wieder seine Spuren hinterlässt

BONN · War er das? War er hier? Am Fuß des Alten Zolls stehen schwarze Herrenschuhe vor einer Tür, daneben hängen säuberlich Jacket, Mantel und Krawatte. Es sieht aus, als wäre jemand eingezogen. Das ganze könnte auch Kunst sein. Bonn hat einen Stadtstreifer, der immer wieder seine Spuren hinterlässt.

Der Stadtstreifer ist scheu, er will nicht gesehen werden. Seine Kunst soll für sich sprechen. Man kann ihn ganz früh morgens treffen, wenn die Stadt noch schläft. Dann füllt er die Thermoskanne und fährt nach Poppelsdorf, um Betonpoller an der Clemens-August-Straße mit Kübelpflanzen-Schutzflies einzupacken.

Gemütlich winterfest sieht das aus. Im Sommer zieht es ihn auf den schmalen Rasenstreifen zwischen den Fahrbahnen der Endenicher Allee: Liegestühle und poppige Drinks mitten im vierspurigen Verkehr - auch das war sein Werk.

Der Mann will nur spielen. "Das subtil Humorvolle ist für mich das Wichtigste", sagt er. Es sind kleine Installationen an öffentlichen Plätzen, die den Betrachter zum Lächeln oder Rätseln bringen. Auf ein Material ist der Stadtstreifer nicht festgelegt. Er bestellt Gartenzwerge im Internet, verarbeitet einen Kilometer Frischhaltefolie oder kleine Cocktail-Schirmchen. Hauptsache, alles lässt sich wieder wegräumen, ohne Schäden zu hinterlassen.

Wer mehr über den Stadtstreifer wissen möchte, stößt auf ein Pseudonym: Er_ich.eS. Aber Erich heißt er nicht. Das wäre zu einfach. Würde man seine Kunst anders betrachten, wenn man wüsste, dass ein kreativer Kunststudent dahinter steckt? Oder ein Spinner, der von Hartz IV lebt? Oder ein pensionierter Beamter? Dieser Stadtstreifer ist wie eine anonymisierte Bewerbung.

Nur wer nichts weiß, bleibt vorurteilsfrei. Ein paar Informationen schleichen sich dann doch ins Gespräch. Er kann seine Ideen gut vermitteln. Das verrät etwas über den bürgerlichen Beruf, den er lange ausgeübt hat. Er hat Zeit, ist gut zu Fuß und seine Tochter sagt: "Bist du wieder illegal unterwegs? Geld für eine Kaution stelle ich nicht." Wer das Pseudonym googelt, findet noch heraus, dass der Mann 1954 geboren wurde. Und einiges über seine künstlerischen Aktivitäten.

"Ich ziehe durch die Stadt und schaue, wo mögliche reizvolle Orte sind", berichtet der Stadtstreifer über seine Arbeit. Es sind oft Zufallsfunde, die zu einer Idee führen. Zum Beispiel die vielen Schrotträder am Oberkasseler Bahnhof. Da brachte er ein Pappschild an: "Fahrrad bittet um eine milde Gabe. Ich würde gerne wieder fahren können. Danke." Mitleidige Passanten hängten Felgen, Sattel und Schloss an das Radskelett. Ein Mädchen namens Johanna hinterließ noch einen Gruß: "Ich drück dir die Daumen, dass du schon bald wieder lange Touren unternehmen kannst."

Solche Reaktionen freuen den Stadtstreifer. Immer wieder arbeitet er mit anderen Künstlern zusammen. Er gibt den Ort bekannt und lädt ein, die Umgebung zu gestalten. "Nichts Gewaltverherrlichendes, keine dauerhaften Eingriffe." Das sind die Kriterien. Manche Kunstwerke bleiben Tage, manche werden von Passanten verändert, manche halten nur wenige Stunden. "Die Bonner Stadtreinigung ist fantastisch", sagt Er_ich.eS ohne Ironie.

Man kann den Stadtstreifer treffen. Er hat bei der Ausstellung "Endstation" im ehemaligen Krankenhaus Sankt Josef in Königswinter mitgemacht. Und er ist begeistert von der "Bonner Schule", die ein leerstehendes Gebäude an der Friedrichstraße mit Kunst und Leben füllt. Dort war er ganz sicher schon.

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