Nitrat und Antibiotika Arzneimittelrückstände bleiben in Bonn im Abwasser

Bonn · Jährlich werden rund 20 Millionen Euro in die Sanierung von Kanälen in Bonn investiert, auch, damit Nitrat nicht in die Umwelt gelangt. Rückstände von Medikamente sind jedoch eine andere Baustelle.

 Die Kläranlage am Salierweg.

Die Kläranlage am Salierweg.

Foto: Nicolas Ottersbach

Nitrat und Antibiotika sowie andere Medikamente im Grundwasser: Aus Sicht vieler Landwirte, die am Dienstag in Bonn protestierten, sind das nicht Folgen von Überdüngung und Massentierhaltung, sondern undichter kommunaler Kanalnetze. Von einem "geheimen Gutachten" der Stadt sprach etwa im Vorfeld der Anmelder der Bonner Kundgebung, der Bonner Landwirt Marcus Vianden gegenüber dem GA.

In der Stadtverwaltung will man von Geheimniskrämerei nichts wissen. "Das Abwasserbeseitigungskonzept aus dem Jahr 2017 ist öffentlich zugänglich und politisch beschlossen", sagt Tiefbauamtsleiter Peter Esch dem GA.

Aus den Unterlagen geht hervor: Der Stadt ist es in den letzten Jahren gelungen, im Kanalnetz mit einer Gesamtlänge von 950 Kilometern die Schäden mit sofortigem Handlungsbedarf nahezu vollständig zu beseitigen. Dabei geht es nicht nur um einsturzgefährdete Kanäle, sondern auch um undichte. Der Anteil mittelfristig abzustellender Schäden nach dem Bewertungsmodell der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, ist in Bonn jedoch im Bundesvergleich überdurchschnittlich hoch. 2018 bestand bei Kanälen mit einer Länge von 85 Kilometern Länge kurzfristig Handlungsbedarf, bei 247 Kanalkilometern mittelfristig.

Sieben Prozent der Kanäle sind älter als 70, ein Drittel der Kanäle ist älter als 50 Jahre. Rund 20 Millionen Euro investiert die Stadt jährlich in die Sanierung und hat mit der Bezirksregierung vereinbart, nicht nur akute Schäden zu beseitigen. So soll sichergestellt werden, dass Nitrat in den Kläranlagen zu Stickstoff abgebaut wird und nicht in die Umwelt gelangt. Jedes Jahr werden mindestens fünf Prozent der Kanäle von Ingenieuren oder mit Videowagen überprüft.

Arzneimittelrückstände sind eine andere Baustelle. Die Bonner Professoren Martin Exner und Ricarda Schmitthausen haben mit ihrem Karlsruher Kollegen Thomas Schwartz nachgewiesen, dass etwa der Entzündungshemmer Diclofenac in Bonn mit 2,4 Mikrogramm pro Liter Abwasser den unverbindlichen Richtwert des Bundesumweltamtes von 0,05 Mikrogramm fast um das Fünfzigfache übersteigt. Besonders Krankenhäuser gelten als Quellen. Für sie gibt es bislang aber keine verbindlichen Handlungsempfehlungen.

Herkömmliche Kläranlagen können solche Spurenstoffe nicht entfernen oder abbauen. Nötig wäre dazu eine vierte Reinigungsstufe: Beigemischte Aktivkohle kann mit ihrer porösen, großen Oberfläche viele der Stoffe ausfiltern und wird anschließend als Klärschlamm zur Stromerzeugung genutzt. Auch beigemischtes Ozon kann viele Stoffe zu unschädlicheren Varianten abbauen. Auch eine Entkeimung ist technisch möglich.

Elf solcher Anlagen sind in NRW teils als Pilotprojekte in Betrieb. Eine gesetzliche Pflicht dazu gebe es indessen nicht, betont Markus Schmitz aus dem Presseamt. Freiwillig könne die Stadt Bonn das Abwasser in ihren vier Kläranlagen aber nicht entsprechend behandeln. Dies sei mit deutlich höheren Abwasserkosten verbunden und deshalb juristisch angreifbar.

Zwar hat die Landesregierung nach WDR-Informationen erklärt, sie wolle keine flächendeckende vierte Reinigungsstufe für alle 614 Klärwerke in NRW. Das Bundesumweltamt plädiert aber dafür.

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