Neue Sporterfahrung für Kinder Blind Fußball spielen

LESSENICH · Die D-Jugend des FC Rot-Weiß Lessenich versetzt sich in die Situation behinderter Sportler. Der Ball rasselt und springt nicht so schnell weg.

 Blindenfußball: Daniel Hoß (vorne mit Kappe) ist selbst blind und spielt in der Bundesliga für Blinde. Das Foto zeigt ihn mit den D-Jugendspielern von Rot-Weiß Lessenich.

Blindenfußball: Daniel Hoß (vorne mit Kappe) ist selbst blind und spielt in der Bundesliga für Blinde. Das Foto zeigt ihn mit den D-Jugendspielern von Rot-Weiß Lessenich.

Foto: Roland Kohls

„Kann ich der Blinde sein?“, fragte ein Fußballer des FC Rot-Weiß Lessenich den anderen. Die beiden führten am Mittwoch eine ganz besondere Übung durch: Einer setzt eine undurchsichtige Brille auf, der andere lotste ihn mit seiner Stimme übers Feld. Dabei waren sie aber nicht allein, und so war es eine zusätzliche Herausforderung, den anderen Paarungen auszuweichen.

Die Übung hatte ihnen zuvor Daniel Hoß erklärt. Er ist Fußballspieler beim Polizeisportverein Köln 1922, und zwar in der Blindenmannschaft, die in der Bundesliga spielt, und gehört dem Kader der Nationalmannschaft an. Für die Spieler der D-Jugend des Lessenicher Vereins war das eine ganz neue Erfahrung: Fußball spielen, ohne etwas zu sehen.

Diese Erfahrung bietet das bundesweite Förderprojekt „Neue Sporterfahrung“ der Deutschen Telekom in Kooperation mit dem Deutschen Fußball-Bund und dem Deutschen Behindertensportverband an. Für sie brachte Hoß den Jungs die Grundlagen seines Sports bei.

Futsal-Ball ist kleiner und hat weniger Luftdruck

Der unterscheidet sich in einigen Bereichen vom normalen Fußball. Zunächst der Ball selbst: Das ist ein Futsal-Ball, das heißt, er ist kleiner und hat weniger Luftdruck, damit er nicht so leicht wegspringt. Außerdem ist er mit einem rasselnden Material gefüllt – die Spieler können ihn ja nicht sehen. Aus demselben Grund gibt es keine Linien, sondern Banden. Die Tore entsprechen denen beim Handball.

Vier blinde Spieler und ein sehender Torwart sind auf dem Feld. Hinter jedem Tor einer Mannschaft steht ein „Guide“ der anderen. Seine Stimme weist den Spielern den Weg zum Tor, außerdem sagt er Gegnerbewegungen und Abspielmöglichkeiten an. Die Spieler geben ein beständiges „voy“ von sich, spanisch für „ich gehe“, um allen anderen mitzuteilen, wo sie sich befinden. Das verhindert Kollisionen. Der Torwart darf sich nur zwei Schritte aus dem Tor hinausbewegen, damit er als Sehender nicht zu sehr ins Spiel eingreifen kann.

„Das ist interessant“, meinte der zwölfjährige Bastian. Er wunderte sich vor der Übung, wie das gehen soll, blind zu spielen. Doch es zeigte sich, dass es geht. Auch Milans (13) Befürchtung, „dass wir uns gegenseitig umtreten“, traf nicht ein.

Verständnis für behinderte und sehbehinderte Menschen

Jugendleiter Christian Stegmüller war begeistert. Das fördere zum einen das Verständnis für behinderte und vor allem sehbehinderte Menschen und zum anderen den Teamgeist: „Man kann sich nicht sehen, muss aber trotzdem miteinander arbeiten.“ Das fördere auch die Orientierung nach Gehör, die beim Spiel durchaus von Vorteil sei.

Hoß gehört zu einer kleinen Schar Auserwählter: „In Deutschland gibt es maximal 100 Menschen, die Blindenfußball spielen“, sagte der 28-jährige Abwehrspieler, der von Geburt an blind ist. „Man muss ein bisschen verrückt sein.“ Er wollte immer Fußball spielen und nutzte die Gelegenheit, als Blindenfußball im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland vorgestellt wurde. Vorher war diese Sportart, die aus Südamerika kommt, hierzulande unbekannt.

Er machte einen Lehrgang in Berlin mit und spielt seitdem. Und immer, wenn er Zeit hat, stellt er seinen Sport dem Nachwuchs vor, „damit Kinder und Jugendliche sehen, was man mit einer Behinderung alles machen kann“.

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