Europeana-Aktionstage im Landesmuseum Bilder, Orden und ein Offiziersfernrohr

BONN · Alles ist vergänglich, aber lange kann es halten, wenn es digital erfasst wird. Wie wichtig den Rheinländern private Erinnerungen sind, zeigten am Wochenende die beiden Aktionstage des Projekts Europeana 1914-1918 im Rheinischen Landesmuseum.

 Registrieren das Fernrohr: (von links) Daniel König, Michael Neumann und dessen Frau Jutta Mäsgen.

Registrieren das Fernrohr: (von links) Daniel König, Michael Neumann und dessen Frau Jutta Mäsgen.

Foto: Susanna Biskup

Bis Sonntagabend hatte das Team des historischen Forschungsinstituts Berlin Stapel an Fotos, Feldpostkarten, Briefen und Tagebüchern gesichtet, fotografiert und digitalisiert sowie Interviews mit den Besitzern geführt.

"Es waren rund 260 Besucher hier, die Resonanz war sehr gut", sagte Projektleiter Frank Drauschke und war zufrieden. Es müsse wohl an der Sammelleidenschaft der Deutschen liegen, dass so viele Exponate pro Person zusammengekommen sind. Eine Dame war allein mit einem Koffer voller Negative ihres Großvaters erschienen, der im Ersten Weltkrieg als Fotograf tätig war.

Manche Besucher wissen genau, worum es sich bei ihren Familienhinterlassenschaften handelt. So die Schriftstellerin Antje Dertinger (72), die schon renommierte Auszeichnungen für ihre politisch-historischen Werke bekommen hat. Schriftlich hat sie dokumentiert, dass ihr Großvater den mitgebrachten Orden als Dank von einem russischen Soldaten erhalten hatte.

Als Stabsarzt im deutschen Regiment hatte der Großvater beim Vorrücken "in Feindesland" den schwer Verletzten behandelt und ihm vermutlich das Leben gerettet. Ein ungewöhnliches Erbstück hat Michael Neumann (49) mitgebracht. Es ist ein Offiziersfernrohr, das sein Großvater nach der "wohl größten Seeschlacht aller Zeiten" aus dem Meer gefischt hat.

Die Schlacht bei Skagerrak hatte der damals 18-jährige Matrose und Schiffskapellen-Musiker auf einem nur leicht beschädigten Schiff überlebt. Das Fernrohr vermachte er später seinem Sohn und dieser wiederum gab es an seinen Sohn Michael weiter.

Tragisch war das Schicksal des Uronkels von Ursula Gliss-Dekker (74). "Er ist in Nordfrankreich gefallen, seine Lungen waren total verätzt", sagte Gliss-Dekker, die ein groß gerahmtes Bild und viele Familienfotos mitgebracht hatte. Sie hat die Bilder bei der Auflösung einer Wohnung in Köln gefunden, in der ihre Urgroßmutter gewohnt hatte.

Am liebsten möchte sie die Bilder gleich dalassen und dem Museum stiften. "Wenn ich mal nicht mehr bin, wirft das mein Sohn doch sowieso in die Tonne", sagte sie. Nachdenklich blickte sie auf die Bilder und fügte hinzu: "Ich bin nicht sentimental. Mit der Archivierung der Bilder will ich nur sagen: Haltet Frieden - egal wie, aber erhaltet den Frieden."

Zum hundertsten Jahrestag des Kriegsausbruches 1914 sammelt das Projekt Europeana 1914-1918 in ganz Europa private Erinnerungsstücke und macht diese in einem digitalen Archiv öffentlich zugänglich. Das Projekt ist eine Initiative der Europeana Foundation, der Universität Oxford sowie lokaler Partner und soll die Erinnerung Europas an den Ersten Weltkrieg bewahren. Seit dem bundesdeutschen Start 2011 wurden Aktionstage in elf europäischen Ländern veranstaltet und Abbildungen von mehr als 50.000 Objekten online gestellt.

Bis Januar soll diese Sammlung durch Beiträge aus Nordrhein-Westfalen und Bremen ergänzt und eine Ausstellung in Berlin abgeschlossen werden. Interessenten können ihre privaten Erinnerungsstücke und damit verbundene Geschichten im Internet in das digitale europaweite Archiv einstellen oder an weiteren Aktionstagen in Aachen, Bochum und Bremen teilnehmen, wo Mitarbeiter des Historischen Forschungsinstituts Berlin "Facts & Files" bei der Dokumentation helfen.

Online-Registrierung und weitere Informationen auf www.europeana1914-1918.eu. Kontakt: europeana@factsandfiles.com

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