Strom- und Gasversorgung in Bonn Berliner Gasag sagt Stadtwerken den Kampf an

Bonn · Der Berliner Gas- und Stromversorger Gasag wirbt den Stadtwerken Bonn vermehrt Kunden ab. Allein in den ersten Monaten schlossen mehr als 1000 Neukunden aus Bonn einen Vertrag mit den Berlinern.

 Peter Weckenbrock im GA-Interview.

Peter Weckenbrock im GA-Interview.

Foto: Benjamin Westhoff

Auf die Frage, wer den Stadtwerken in Sachen Strom derzeit die größte Konkurrenz mache, antwortet der SWB-Geschäftsführer, ohne zu zögern: Gasag. Ein Berliner Gas- und Stromanbieter, der seit September den Bonner Markt erobern will. Wettbewerbsdruck ist für die Stadtwerke nicht neu. „Die Karawane zieht regelmäßig durchs Land“, erklärt Peter Weckenbrock und meint die Stromdiscounter, unter denen Kunden auf Verivox oder Check24 wählen können.

Doch mit der Gasag verhält es sich etwas anders. Die Aktiengesellschaft will den Stadtwerken genau dort Konkurrenz machen, wo das kommunale Unternehmen sich am stärksten fühlt: in der Vertrauenswürdigkeit. „Unser Ziel ist langfristige Kundenbindung“, sagt Gasag-Vertriebsleiter Martin Ridder. „Wir bieten bewusst keine Discounterpreise“, sagt Ridder. Lokale Verbundenheit sei die Devise. Ein beliebtes Vehikel dafür ist Sponsoring. So war der Gasag-Schriftzug auf Bandenwerbung oder Trikots präsent – beim Bonner Firmenlauf, als Unterstützer des Contra-Kreis-Theaters oder als Hauptsponsor der Handballer des TSV Bonn rechtsrheinisch.

Über 1000 Neukunden in nur einem Monat

Auch die SWB sind Sponsor für Vereine und Projekte – einer der wichtigsten in Bonn. „Das Verhalten der Gasag gibt uns recht“, so Weckenbrock. „Aber wir haben immer noch einen Vertrauensvorschuss.“ Dennoch verbuchen die Berliner Erfolge: Nach eigenen Angaben hat Gasag in den ersten Monaten über 1000 Bonner Neukunden gewonnen. Die SWB haben mehr als 150.000 Abnehmer (mit Geschäftskunden), gewinnen auch regelmäßig welche dazu – unterm Strich sinkt die Zahl aber. Geschäftsführer Weckenbrock nennt keine genauen Zahlen, betont jedoch, dass der Verlust unter dem Bundesschnitt liege. Im vorigen Jahr war auch der Umsatz der Stadtwerke mit Strom um 3,5 Prozent gesunken. Nicht die Zahl der Kunden sei entscheidend, so Weckenbrock, sondern die Margen, die mit Strom erzielt werden könnten. Außerdem „gewinnen wir werthaltigere Verträge dazu.“ Sinkender Umsatz hänge auch mit Beschaffungskosten zusammen: Diese schwanken und demnach auch der Umsatz.

Im Konzerngeflecht der SWB ist die Energiesparte am lukrativsten. Sie warf zuletzt rund 50 Millionen Euro ab, mit denen unter anderem Verluste bei Bus und Bahn aufgefangen wurden. Weckenbrock ist zuversichtlich, den Energie-Gewinn um weitere zwei Millionen Euro steigern zu können. Der Gesamtkonzern schloss 2017 mit einem Plus von 2,2 Millionen Euro. Für 2018 werde ein Ergebnis von drei Millionen Euro erreicht, so Weckenbrock. Im aktuellen Wirtschaftsplan sehen die Stadtwerke vor, den Gesamtgewinn bis 2022 auf 3,7 Millionen Euro zu steigern – wobei zusätzliche Ausgaben für das Radverleihsystem und geplante Fahrplanverbesserungen schon eingepreist sind. Für Klaus-Peter Gilles, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Holding, eine bemerkenswert gute Entwicklung: Noch vor acht Jahren, betont der CDU-Politiker, habe die damalige SWB-Führung hohe Verluste melden müssen. 2010 lag das Konzerndefizit bei acht Millionen Euro.

Bei Fernwärme zulegen

Laut Ratsbeschluss müssen die Stadtwerke ab 2018 zwei Millionen Euro in die Stadtkasse ausschütten – anwachsend auf fünf Millionen ab 2022. Die SWB überweisen für das laufende Jahr 1,8 Millionen Euro; weitere 0,2 Millionen werden über das Fahrradsystem verrechnet – praktisch in „Naturalien“ geleistet. Nach derzeitigem Stand schaffen die SWB auch die Ausschüttungen in den Jahren bis 2021. Erst ab 2022 klafft derzeit noch eine Lücke von rund einer Million in der Planung.

Doch Weckenbrock sieht Chancen im Wachstum. Besonders bei der Fernwärme soll der Konzern weiter zulegen. Nach Netzzukäufen – zuletzt hatten die SWB das Duisdorfer Steag-Fernwärmenetz übernommen – will der Konzern sein Netz weiter ausbauen. Bis 2023 sind Fernwärme-Investitionen von 75,5 Millionen Euro geplant. Die Gesamtinvestitionen einschließlich neuer Busse und Bahnen sollen bei 513 Millionen Euro liegen.

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