Hilfe für rund 4000 Bedürftige Berechtigungskarten bei Bonner Tafel sind befristet

Bonn · Bei der Bonner Tafel ist die Lebensmittelausgabe klar geregelt. Anders als in der Stadt Essen gibt es keinen vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer.

Es war der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der mit dem Satz „Für die macht ihr alles, für uns macht ihr nichts“ eine drohende Neiddebatte zwischen Deutschen und Einwanderern skizzierte. Gut zwei Jahre ist das her, und manchen Ort in Deutschland hat diese Neiddebatte inzwischen offenbar erreicht. Zum Beispiel die Stadt Essen. Die Entscheidung der dortigen Tafel, wegen Verteilungskämpfen an den Ausgabenstellen bis auf Weiteres Essen nur noch an Bestandskunden und Deutsche auszugeben, hat in den vergangenen Tagen eine vielstimmige Kontroverse ausgelöst – von Zustimmung bis hin zu Beschädigungen der „Tafel“-Lieferwagen.

In Bonn sieht man sich vor ähnlichen Situationen gefeit. Und das aus mehreren Gründen, wie Marianne Baldus vom Vorstand der Bonner Tafel dem General-Anzeiger erklärt. Die 61-Jährige engagiert sich seit 2001 in dem Verein, der seine Arbeit ausschließlich privat verantwortet. 110 Mitarbeiter sind an fünf Tagen der Woche mit dem Einsammeln und Ausgeben der gespendeten Lebensmittel beschäftigt. Der Kundenkreis umfasst rund 4000 Bedürftige.

Berechtigungskarten befristet

Schon immer sei laut Baldus auch in Bonn der Anteil der Zuwandererhaushalte – inklusive Spätaussiedler – gegenüber den in Deutschland Geborenen leicht erhöht gewesen. Mit dem Beginn der Flüchtlingswelle verschob sich das Verhältnis Migranten/Deutsche in Richtung 60:40 Prozent. „Das ist bis heute so“, sagt Baldus. Berechtigungskarten erhalten nur Menschen, die über eine Kochmöglichkeit verfügen – auch Asylbewerber. Ausgeschlossen sind jedoch jene Menschen, die in Sammelunterkünften leben und dort verpflegt werden.

Doch das sind beileibe nicht die einzigen Stellschrauben, welche die Bonner Tafel in ihre Abläufe eingebaut hat. „Unter anderem sieht die Vergabepraxis unseres Vereins für Menschen bis 70 eine Befristung der Berechtigung auf ein bis zwei Jahre vor, sodass jedes Jahr eine dreistellige Zahl von Haushalten neu in das Verteilungssystem aufgenommen werden kann“, erklärt Baldus. Die Möglichkeit zum Lebensmittelbezug erhielten dabei in erster Linie Alleinerziehende, Familien mit Kindern und alte oder kranke Menschen.

„Neue Kunden, selbstredend aller Nationalitäten, nehmen wir erst dann auf, wenn eine nennenswerte Anzahl von Plätzen frei geworden ist. Dies geschieht blockweise drei bis vier Mal im Jahr“, berichtet Baldus. Überdies gilt bei der Bonner Tafel eine Art Anwesenheitspflicht. „Wer mehrfach unentschuldigt nicht zur Abholung kommt – ein kurzer Anruf genügt –, muss damit rechnen, dass ihm die Berechtigungskarte entzogen wird, da wir dann davon ausgehen, dass die Not doch nicht so groß ist.“ Auch arbeiten die Bonner nach einem klar strukturierten Zeitplan. Dass – wie in Essen geschehen – Senioren von kräftigen jungen Migranten an der Essensausgabe förmlich beiseite gedrängt wurden, werde damit verhindert: So sind der Tag, das Zeitfenster zur Abholung und die Reihenfolge beim Empfang der Lebensmittel mit nummerierter Karten genau festgelegt.

„Keine Rangeleien“

„Dadurch können wir Situationen vermeiden, in denen um die besten Plätze ,gerangelt' werden muss und der Stärkere den Schwächeren verdrängt“, sagt Marianne Baldus. Im Umkehrschluss bedeutet das: Ohne diese Regeln könnte auch hier genau damit zu rechnen sein. Und schließlich mache es die sorgfältige Sichtung und Kalkulation der verteilbaren Lebensmittelspenden an den Abholnachmittagen möglich, dass auch jene, die zum Schluss kommen, mengenmäßig das Gleiche erhalten wie diejenigen, die zu Beginn bedient werden.

„Transparenz sichern wir mit Hilfe eines Informationsblattes, das jeden Neukunden mit der Arbeitsweise der Bonner Tafel und den Regularien zur Abholung vertraut macht. So gelingt es uns, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft in den Genuss unserer Dienstleistung zu bringen, ohne dass Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden müssen“, sagt das Vorstandsmitglied der Bonner Tafel.

Dass Bedürftige von Ämtern wie in Essen an die Tafel „weitergereicht“ wurden, sei früher in Bonn zuweilen ebenfalls vorgekommen. „Das haben wir uns verbeten, seitdem gibt es das nicht mehr“, erklärt sie. So weit die Situation in Bonn. Was in Essen geschah, kommentieren die Bonner Kollegen nur zurückhaltend und bezeichnen sie als „unglücklich“ und „fragwürdig“. Jedoch kenne man die genauen Entscheidungsprozesse nicht.

Wenig zielführend hält Marianne Baldus indes die Form der aktuellen medialen Aufmerksamkeit für das Thema: „Wenn mit der gleichen Vehemenz auf politischer Ebene um Konzepte gerungen würde, die sozial Benachteiligten eine wirkliche Verbesserung ihrer Lebenssituation bescheren, dann wäre viel gewonnen. Und die 934 Tafeln wären überflüssig“, ist sie überzeugt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort