Kommentar Beethoven-Festspielhaus - Jetzt oder nie!

Die Vision eines Beethoven-Festspielhauses ist schon einige Male für tot erklärt worden. Am eindringlichsten läutete das Totenglöcklein im April 2010. Damals entschieden der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und die potenziellen Geldgeber und Bauherren Post DHL, Telekom und Postbank, das Projekt "vorerst nicht weiter zu verfolgen". Von da an lag es nach offiziellem Sprachgebrauch auf Eis; es schien sich dabei um eine Bonner Variante ewigen Eises zu handeln.

Es bedurfte schon mehr als nur eines warmen Sonnenstrahls, um das Eis zu schmelzen und die bereits jahrelang verbissen geführte Debatte um ein angemessenes Haus für den größten Sohn der Stadt wiederzubeleben. Das ist dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg (IHK), Wolfgang Grießl, gelungen. Er verschaffte dem Projekt, dem in manchen Milieus der Ruch des Elitären anhaftete, so etwas wie Volkstümlichkeit. Mit seiner im November 2011 gestarteten Spendenaktion "5000 x 5000 für Beethoven" gewannen Grießl & Friends das Interesse und die Herzen vieler Menschen.

Grießls Reanimationsbemühungen zeigten Wirkung, schufen eine Jetzt-oder-nie-Stimmung, die gestern einen vorläufigen Höhepunkt erlebte. Die Körpersprache von Oberbürgermeister, Kulturdezernent und IHK-Chef drückte Zuversicht aus, Gestaltungswillen und Handlungskompetenz. Das privatwirtschaftlich finanzierte "Bürgerprojekt" Beethoven-Festspielhaus, so das Fazit der Pressekonferenz im Alten Rathaus, sei realisierbar. "Wir halten das Projekt für umsetzbar", fasste es der Oberbürgermeister zusammen.

Natürlich sind noch viele Fragen offen, daran ließen Nimptsch, Schumacher und Grießl keine Zweifel. Sie wichen keiner kritischen Nachfrage aus, zum Beispiel der nach der Akzeptanz des Standorts Rheinaue in der Bonner Bürgerschaft. Die Deutsche Post DHL hätte prinzipiell nichts gegen ein Festspielhaus in der Nähe des Post Towers, das war eine der für Grießl & Friends erfreulichen Erkenntnisse des gestrigen Tages. Die Post DHL ist und bleibt ein verlässlicher Partner.

Der "Sachstand", den Nimptsch gestern zunächst den Ratsfraktionen und dann der Öffentlichkeit übermittelte, sorgt für Transparenz. Er gibt dem Rat Daten, Zahlen und Fakten an die Hand, mittels derer eine Entscheidung für oder wider Festspielhaus im Herbst begründbar ist.

Viel war gestern im Gobelinsaal des Alten Rathauses die Rede von Sponsoren, Unterstützern und Unternehmen, die das Projekt mit Sympathie (und Geld) begleiten werden; von einer "Verantwortungs-Partnerschaft"; vom "kräftigen Symbol" Festspielhaus; vom "sicheren Weg" dorthin. Das mag manchem Beobachter vage, wolkig und akademisch erscheinen.

Im Fall von Visionen gibt es aber eine Gewissheit: Mit Verzagtheit und ewigem Zögern sind sie nicht zu haben. Die Pressekonferenz gestern hat für Transparenz gesorgt und eine klare Linie vorgezeichnet, an der die Vertreter der Parteien im Rat sich orientieren und abarbeiten müssen.

Sie sind aufgerufen, nach bestem Wissen und Gewissen die Fakten zu prüfen, abzuwägen und zu entscheiden. Das kann ihnen niemand abnehmen. Die Volksvertreter müssen, jenseits aller belastbaren Daten, über eine kühne Idee abstimmen, deren Erfolg sich erst in der Zukunft wird überprüfen lassen. Es gehört Courage dazu, ein neues Bonner Haus für Beethoven zu bauen.

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