Bauern-Demo 2000 Traktoren legten die Bonner City lahm

Bonn · Mit kilometerlangen Traktoren-Konvois sind Tausende Landwirte am Dienstag für eine Demo durch die Bonner Innenstadt gefahren. Erst am Nachmittag lichteten sich die Straßen allmählich. Der Ablauf zum Nachlesen.

 Kilometerlange Traktoren-Konvois fahren durch Bonn.

Kilometerlange Traktoren-Konvois fahren durch Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Es ist ein Sturm, der sich am Dienstagmorgen vor Bonns Stadtgrenzen zusammenbraut. Mitten in der Nacht sind sie aufgebrochen im Saarland wie im Sauerland, im Westerwald wie in Niedersachsen. Als Polizeisprecher Frank Piontek um 8 Uhr früh am Telefon die erste Wasserstandsmeldung durchgibt, stehen noch 700 Traktoren aus dem Westen vor Neuss, 240 sind aus Altenkirchen unterwegs, 230 bei Düsseldorf. Da hat der erste Konvoi bereits Beuel erreicht.

Landwirte aus halb Deutschland kommen am Dienstag nach Bonn. In der Bundesstadt wollen sie mit ihrer Kampagne „Land schafft Verbindung“ zentral gegen die aus ihrer Sicht mangelnde Wertschätzung der Gesellschaft im Allgemeinen und die Agrarpolitik der Bundesregierung im Besonderen demonstrieren. Über soziale Medien haben sie sich kurzgeschlossen. Vor allem junge Leute haben sich auf den Weg gemacht.

Rettungswege bleiben zumeist frei

Schlussendlich werden es rund 2000 Landfahrzeuge, die mit ihren schweren Reifen in kilometerlangen Reihen hupend über die Kennedybrücke oder die B 56 und B 9 ins Stadtzentrum rollen. 700 von ihnen parken wie geplant auf Ackerflächen in Schwarzrheindorf. Die übrigen werden unter anderem in der Niederkasseler Straße in Beuel, in der Poppelsdorfer Allee, am Hofgarten, am Rheinufer, ja sogar rund um den Friedensplatz und am Belderberg abgestellt. Rettungswege bleiben zumeist frei.

Bauern-Demo in Bonn: Fotos vom Traktoren-Konvoi
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Fotos von der Bauern-Demo 2019 in Bonn

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In der ganzen Stadt gibt es massive Verspätungen bei Bus und Bahn. In der verstopften Rheingasse fährt sich ein Gelenkbus fest. Erst nach längerem Rangieren kommt er frei. Die Stadtbahnlinien 61, 62 und 66 werden wegen blockierter Gleise stundenlang unterbrochen. Auf der Bornheimer Straße, dem Hochstadenring, Am Hofgarten sowie in der Reuterstraße staut sich der Verkehr. Selbst in Bad Godesberg kommt es zu Behinderungen. Die Polizei sperrt Zufahrtsstraßen zur City und twittert Verhaltensregeln.

Demonstranten mit Körben verteilen Äpfel

Ein ganz anderes Bild in der Fußgängerzone. Stellenweise herrscht am Vormittag fast Stille wie an einem Feiertag. Weniger Einkäufer als sonst sind unterwegs. Viele haben ihre Pläne offenbar angepasst. Unmut hört man wenig. „Das kann man doch verstehen, dass die demonstrieren“, sagt ein Mann mit Fahrrad. Auch eine junge Mutter mit ihrer Tochter im Kinderwagen ist nicht ungehalten: „Die großen Fahrzeuge faszinieren hier gerade jemanden ungemein“, verrät sie lachend. Demonstranten mit Körben verteilen Äpfel und Salatköpfe an Passanten.

Zu Beginn der Kundgebung um 11 Uhr ist der Münsterplatz dennoch kaum gefüllt. Viele Demonstranten sind zunächst im selbst verursachten Verkehrschaos stecken geblieben. Selbst um 13 Uhr haben noch nicht alle Fahrzeuge die Innenstadt erreicht. „Kein Wunder“, ärgert sich Markus Westerfeld, der mit Kollegen aus dem Kreis Soest angereist ist. Die Polizei habe ihnen einen 25 Kilometer langen Umweg zugewiesen. Eine geplante Verpflegungspause habe man deshalb auslassen müssen. „Bei jedem Fernfahrer wird auf Pausen geachtet“, empört sich Westerfeld. Den Damen auf ihren Traktoren hätten Beamte stattdessen geraten, sie sollten „mal die Arschbacken zusammenkneifen“.

Manche Redner äußern sich hörbar radikal

Initiatorin Maike Schulz-Broers aus der Lüneburger Heide ist trotzdem den Tränen nah, als sie vom als Bühne dienenden Sattelschlepper sieht, wie viele Kollegen ihrem Aufruf gefolgt sind. Von rund 5500 Teilnehmern spricht schließlich die Bonner Polizei. Die verlangen mehr Dank der Gesellschaft – und weniger Einmischung. „Wir produzieren, wie wir es gelernt haben“, sagt ein Winzer aus Königswinter auf der Bühne. „Bienen und Schmetterlinge fliegen herum, und alles ist in Ordnung.“

Manche Redner äußern sich hörbar radikal. Naturschützer und Medien hätten „Angst und Abneigung“ gesät, „falsche Tatsachen“ behauptet und beim Klimawandel und Insektensterben Panik geschürt. Ein Aktivist aus Wiesbaden verteilt Flugblätter gegen angeblichen „Ökofaschismus“ und „Massengehirnwäsche“. Der Klimawandel sei eine Erfindung von Finanzinvestoren, behauptet er.

„Mir tun die Bauern leid“, sagt Kai Heuser. Mit seiner Tochter auf den Schultern und einer Gruppe lokaler Aktivisten demonstriert der Bonner im rückwärtigen Teil des Münsterplatzes lautstark für die Agrarwende. Den Landwirten müsse geholfen werden, ihre Produktion weg von der Massentierhaltung zu gestalten, findet Heuser. Zwar stehen sich beide Parteien kurzfristig Nase an Nase gegenüber. Es bleibt aber friedlich.

Nach zwei Stunden löst sich die Kundgebung auf. Um 15.23 Uhr können Bahnen und Busse die Kennedybrücke wieder passieren. Allmählich leeren sich die Straßen. Aber das sei erst der Anfang, sagen viele Teilnehmer und klopfen sich auf die Schultern.

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