Kommentar zur Kinderarmut Armes, reiches Deutschland

Meinung | Bonn · 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche leben im reichen Deutschland unterhalb der Armutsgrenze. Tief hat sich die Angst vor Mangel und fehlender Absicherung in ihrer Psyche eingenistet.

Wer Christoph Butterwegge zu einem Vortrag über Kinderarmut einlädt, bekommt Klartext geboten: 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche leben im reichen Deutschland unterhalb der Armutsgrenze.

Damit hat der durchaus streitbare Politikwissenschaftler den Bonner Stadtverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft konfrontiert. Armut betreffe also, wie Butterwege erläuterte, mehr als jedes fünfte Kind, in den großen Städten sogar jedes vierte. Und das sei ein Skandal, wie der ehemalige Sozialdemokrat richtig folgerte.

Butterwegge bezieht daraus seine These, dass Politik und Öffentlichkeit Armut jedoch nur zu gerne emotionalisierten – und damit verharmlosten, ja verschleierten. Man habe also Mitleid mit dem traurig blickenden Kind, aber stolpere fast über den Bettler an der Straßenecke.

Deshalb mache er das Thema möglichst nicht mehr an den süßen Kleinen fest, meint Butterwegge. Er schildere lieber die Schicksale von Erwachsenen, die unverschuldet in die Armut gerutscht und absolut keine faulen Drückeberger seien, wie ihnen gerne unterstellt werde.

Aber bleiben wir wie am Ende auch Butterwegge bei den jüngsten Betroffenen, die in den entsprechend betroffenen Familien aufwachsen. In Bonn waren das bei der letzten Zählung 11.615 unter 18-Jährige. Tief hat sich die Angst vor Mangel und fehlender Absicherung in ihrer Psyche eingenistet.

Eine repräsentative Bertelsmann-Studie besagt dazu aber auch, dass aktuell sogar die Hälfte aller Kinder in Deutschland zumindest die Angst vor Armut kennt: wenn die Eltern etwa in Mini-Jobs landen könnten, wenn Arbeitslosigkeit oder auch Scheidungen drohen. Die Kinder fürchteten sich vor den Folgen.

„Deutschland ohne Geld geht gar nicht“, wird ein Jugendlicher zitiert, der für die Studie befragt wurde. „Bonn ohne Geld geht auch nicht“, dürften die mehr als 11.000 betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Stadt sagen. Schauen wir also genau hin, wenn es um die Belange dieser jüngsten Bonner geht.

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