Arbeitsgericht Bonn Bewerber darf Arbeitgeber laufendes Strafverfahren verschweigen

Bonn · Ein 26-jähriger Mann hatte bei seiner Bewerbung für einen Ausbildungsplatz verschwiegen, dass ein Strafverfahren gegen ihn anhängig war. Für das Arbeitsgericht kein ausreichender Grund, ihn zu entlassen.

 Das Arbeitsgericht Bonn gab einem 26-Jährigen, der in einer Bewerbung ein anhängiges Strafverfahren verschwiegen hatte, eine zweite Chance.

Das Arbeitsgericht Bonn gab einem 26-Jährigen, der in einer Bewerbung ein anhängiges Strafverfahren verschwiegen hatte, eine zweite Chance.

Foto: Privat

Die Frage nach Vorstrafen oder schwebenden Ermittlungs- und Gerichtsverfahren muss ein Bewerber nicht unbedingt wahrheitsgemäß beantworten: Das hat das Bonner Arbeitsgericht im Rahmen eines Rechtsstreits über die Anfechtung eines Ausbildungsvertrags entschieden. Im konkreten Fall hatte ein heute 26-Jähriger Mann bei seiner Bewerbung bei einem großen Bonner Unternehmen im August 2018 verschwiegen, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Raubes lief und die Hauptverhandlung kurz bevorstand. Als er schließlich im Sommer des folgenden Jahres seine dreijährige Freiheitsstrafe antreten sollte, bat er seinen Arbeitgeber um eine Bestätigung, dass er die Ausbildung während seines Freigangs fortführen dürfe. Die mochte das Unternehmen ihm aber nicht geben, sondern focht stattdessen den gesamten Ausbildungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als angehende Fachkraft für Lagerlogistik habe der junge Mann Zugriff auf verschiedene hochwertige Vermögensgüter des Unternehmens. Dagegen hatte der Azubi geklagt und nun Recht bekommen. Vor seiner Einstellung hatte der junge Mann nämlich ein Personalblatt ausgefüllt: Und bei dem Punkt „Gerichtliche Verurteilungen/schwebende Verfahren“ hatte der Bewerber sein Kreuzchen in dem „Nein“-Kästchen gemacht. Das dürfe ihm aber nicht zum Nachteil gereichen, entschied das Gericht nun: Denn es besteht im Rahmen eines Einstellungsverfahrens kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren jedweder Art, so die Kammer.

Arbeitgeber haben grundsätzlich das Recht auf Auskünfte

Der Arbeitgeber dürfe bei den Bewerbern vielmehr nur Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren einholen, die konkret für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant seien. Grundsätzlich ist ein Arbeitgeber durchaus berechtigt, im Bewerbungsverfahren Informationen zu Vorstrafen einzuholen. Die müssen allerdings für die Tätigkeit an dem zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant sein. Geht die Frage hingegen bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu weit, ist sie unzulässig und enthebt den Bewerber von der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Beantwortung.

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