Vortrag im Bonner Münster Anselm Grün: "Jeder Mensch ist schön"

BONN · Anselm Grün ist unglaublich populär. Das konnte man am Montagabend sehen, als der Benediktinerpater von der Abtei in Münsterschwarzach im Bonner Münster einen Vortrag hielt: Nahezu alle Sitzbänke im Hauptschiff der Basilika und viele Plätze an den Seiten waren komplett belegt. Viele Bonner wollten den 69-Jährigen sprechen hören.

 Anselm Grün bei seinem Vortrag.

Anselm Grün bei seinem Vortrag.

Foto: Frommann

Grün referierte über die Schönheit in der Architektur und deren heilende Kräfte, ein Thema in seinem neuen Buch "Schönheit. Eine neue Spiritualität der Lebensfreude". Dabei ließ er viele Philosophen und Dichter zu Wort kommen, stellte zum Beispiel Platon und Emmanuel Kant gegenüber: Für den einen gelte "Alles, was ist, ist wahr, gut und schön", der andere sage "Das Schöne ist ein subjektives Geschmacksurteil".

"Schön" komme im Deutschen von "schauen", was einen Hinweis auf die Bedeutung der Schönheit als Äußerliches, Sichtbares gebe. Die Griechen hätten aber ein anderes Verständnis, das etwa in Bibelübersetzungen zum Tragen komme: Während in der deutschen Fassung des Alten Testaments am Ende der Schöpfungsgeschichte Gott sah, dass alles "sehr gut war", heiße es im Griechischen "sehr schön", und Jesus sei dort nicht der "gute Hirte", sondern der "schöne Hirte".

In der mittelalterlichen Kunst habe man Schönheit als heilsames Mittel verstanden, so Grün. "Da hat man den Teufel und das Böse in Schönheit dargestellt, um ihnen die zerstörerische Macht zu nehmen." So verstehe er auch die Wirkung von Kirchen als Ort, an dem das Irdische und Weltliche keine Macht habe. "Kirchen geben einer Stadt das Menschliche", sagte Grün. Damit leiste die Kirche auch einen "Beitrag zur Humanisierung der Gesellschaft".

Goethe habe in der Architektur "verstummte Tonkunst" gesehen. "Lange bevor ich gepredigt habe, haben die Steine schon gepredigt", so Grün. Täglich würden viele Menschen, auch solche, die eigentlich nicht gläubig sind, sich auf diese Predigt einlassen und die Schönheit der Kirche genießen.

Der hohe Bau habe motivierende Wirkung: "Der Raum richtet uns auf." Der Pater übertrug das auch auf das Bild vom Menschen als Tempel oder Kirche Gottes. "Jeder Mensch ist schön, und wenn wir das Schöne in uns zulassen, verliert das Böse die Kraft in uns", sagte der Benediktinermönch. "Den heiligen Raum kann niemand verletzen. Dort sind wir ursprünglich, authentisch, dort sind wir rein und klar, dort hat auch die Schuld keinen Zugang."

Der Vortrag wurde ein- und ausgeleitet von Münster-Organist Markus Karas, der Werke von Johann Sebastian Bach auf der Klais-Orgel spielte. Pater Grün lud anschließend zur Signierstunde. Der Erlös aus der Veranstaltung geht an den Münster-Bauverein für die Finanzierung der in den nächsten Jahren anstehender Sanierungsarbeiten.

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