Vorsicht, zerbrechlich! Angus & Julia Stone beim Bonner Kunst!Rasen

Bonn · Es ist still. Ein andächtiger Moment. Vorne, auf der KunstRasen-Bühne, singt eine junge Frau mit verträumter Stimme, leichtem Gitarrenspiel und der Präsenz eines scheuen Rehs ein filigranes, fast schon zerbrechliches Liebeslied, während ihr Bruder danebensteht, verstrubbelt, zerzaust, nur ab und zu seine Stimme zu einem feinen Harmoniegesang erhebend.

Es ist die Magie von Angus und Julia Stone, dass diese Art von Musik jetzt und hier funktioniert. Dabei hilft paradoxerweise, dass das Duo weitaus kraftvoller daherkommt als auf seinen CDs, weitaus groovender - so gewinnt das Konzert zusätzlichen Kontrast, der den Australiern sehr gut zu Gesicht steht.

Angus & Julia Stone beim Bonner Kunst!RasenGroße Töne haben Angus und Julia Stone nicht nötig. Vielmehr bestimmen Entschleunigung und Reduktion das Wirken des Geschwisterpaars, stellen sie sich in den Dienst einer wohltuend einlullenden Melancholie und Gemütlichkeit - nur um ab und zu eindrucksvoll aus dieser auszubrechen.

Vor allem Julia Stone kann mit ihrer kieksig-niedlichen Stimme eine beträchtliche Bandbreite abrufen und auch mal den hungrigen Wolf herauslassen: So zeigt sie sich etwa bei "Death Defying Acts" weitaus selbstbewusster und aggressiver, während Gitarren und Schlagzeug mitunter fast schon bedrohliche Züge annehmen. Ähnlich ergeht es "You're The One That I Want", der einzigen Cover-Version des Konzerts.

Die Disco-Nummer von Olivia Newton-John und John Travolta aus dem Film "Grease" wird drastisch verlangsamt und zu einer Ballade umgeformt, deren anfängliche Ruhe die 31-jährige Sängerin irgendwann zugunsten eines fast schon psychotischen Grundtons aufgibt, mit reduziertem Tempo, aber mit zunehmender Spannung. Ganz so süß, wie die Beiden tun, sind sie doch nicht.

Trotz derartiger herrlicher Ausflüge in die kantigen Schattenseiten der Indie-Szene liegt der zentrale Fokus von Angus und Julia Stone - im Gegensatz zu ihrer trocken rockenden Vorband Black Box Revelation - auf fragilen Kuschel-Folk und äußerst vielseitigem Indie-Pop.

Lieder, die abseits des oft positiv geprägten Grundbeats geprägt sind von ätherischen Phantasmen, die mal nach kaltem Sternenlicht klingen und dann wieder nach der untergehenden Sommersonne, nach einer schwül-heißen Nacht und einem idyllischen Morgen am Strand.

Es spricht für Angus und Julia Stone, dass sie diese Komplexität auch mit minimalen Mitteln herzustellen verstehen - und damit die knapp 2000 Zuschauer beim Kunst!Rasen bis zum Schluss in seliger Verzückung halten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort