Wiedereröffnung in Coronazeiten Erzieher fordern mehr Schutzmaßnahmen in Bonner Kitas

Bonn · Pädagogen in Bonner Kindergärten bemängeln fehlendes Personal und machen sich Sorgen. Erzieher sehen sich angesichts der Wiedereröffnung als Versuchskaninchen und fordern mehr Schutzmaßnahmen.

 Wieder Bewegung im Sandkasten: In der Tagesstätte von St. Evergislus können die Kinder sich austoben.

Wieder Bewegung im Sandkasten: In der Tagesstätte von St. Evergislus können die Kinder sich austoben.

Foto: Benjamin Westhoff

Am 8. Juni war die Freude bei Bonner Kindern und Eltern groß, als die Kindertagesstätten (Kitas) zumindest im reduzierten Regelbetrieb wieder öffneten. In der Woche danach zieht Rolf Haßelkus, Vorsitzender des Stadtverbands Bonn der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), eine erste Bilanz. Und die fällt aus der Perspektive des Kita-Personals offenbar alarmierend aus.

„Wir sind doch nur Versuchskaninchen und werden viel zu wenig unterstützt“, so empfänden viele Erzieher die „übereilte Wiedereröffnungsstrategie“, sagt Haßelkus. Bei allem Verständnis für die schwierige Situation der Eltern bräuchten Mitarbeitende, Erzieher und Kinder umfassendere Schutzmaßnahmen. Die Kollegen, aber auch die Kinder, seien einem großen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. In vielen Einrichtungen gebe es zu wenig Personal, zu wenige Räume, zu große Gruppen, schwierige Übergabesituationen und Angst vor Ansteckung, erklärt der Gewerkschafter. „In einzelnen Einrichtungen ist ein geordneter Regelbetrieb unter pädagogischen Ansprüchen kaum noch durchführbar.“

Zum Fachkräftemangel komme das Fehlen von Kräften, die den Corona-Risikogruppen angehörten. „Dies macht eine nach unserer Schätzung durchschnittliche Personalminderung von mindestens zehn Prozent aus, in einigen Einrichtungen sogar von bis zu 40 Prozent“, mahnt Haßelkus. Bildungsarbeit sei unter diesen Voraussetzungen nur bedingt möglich. „Die GEW fordert regelmäßige Testungen für Erzieher und Kinder.“

Nicht nur negative Resonanz

Positiver fällt der Stimmungsbericht von Holger Dehnert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband aus, in dem 41 Bonner Kitas organisiert sind. „Die Rückmeldungen aus den Einrichtungen sind vielfach gut“, sagt Dehnert. Sie hätten sich mit Engagement und großer Verantwortlichkeit auf den eingeschränkten Regelbetrieb vorbereitet. Sie seien „überraschend gut aufgestellt“, gerade was die Erfüllungen der Hygieneforderungen betreffe. Problematisch sei aktuell in einigen Einrichtungen zwar die räumliche und die personelle Situation, führt Dehnert aus. Jedoch könnten andere Kitas den Familien sogar ein höheres Stundenkontingent als gefordert anbieten. Die Belastung für die Mitarbeiter sei aber stark gestiegen.

Die Sicht vor Ort schildert Niklas Mast-Jendrzewski, Koordinator des katholischen Kindergartennetzwerks Bad Godesberg, der für 13 Kitas spricht. Die Betreuung unter den Hygienevorschriften umzusetzen, sei mit einem hohen Personalaufwand verbunden. Mehrfach am Tag müssten stark genutzte Oberflächen gereinigt, Räume stoßgelüftet und die Kinder gruppenweise an die frische Luft begleitet werden. Ständig seien sie daran zu erinnern, sich nicht ins Gesicht zu fassen, keine Hände zu schütteln sowie Abstände und die Niesetikette einzuhalten. „Die Eltern dürfen nur mit Mund-Nase-Bedeckung bis zur Kita-Tür kommen“, beschreibt Mast-Jendrzewski den Alltag. Dabei fielen in Godesberg pro Einrichtung bis zu 15 Prozent der Mitarbeiter aus Risikogruppen aus, dazu kämen Krankheitsfälle. Deshalb laufe die Personalakquise verstärkt wieder an.

Auch Berit Schmeling berichtet für die 24 Kitas der Evangelischen Gesellschaft für Kind, Jugend und Familie (KJF), dass das Abstandhalten, zumal bei unter Dreijährigen, eine ständige Herausforderung darstelle. Eine intensivere Betreuung sei unumgänglich. „Es ist schwierig, den Kindern den Ernst der Situation verständlich zu machen, ohne sie zu ängstigen.“ Für das Personal sei auch die Organisation von Teambesprechungen und Reflexionszeiten unter Einhaltung der Regel sehr zeitaufwendig. Der Kontakt zu den Eltern müsse nun mit Abstand, per Telefon oder E-Mail laufen. „Es müssen Mitarbeitende, Eltern und Kinder an einem Strang ziehen und sich an die Regeln halten“, resümiert Schmeling. Das erfordere ein hohes Maß an Verständnis füreinander, um Ideen entwickeln zu können. Dabei gäben Videokonferenzen mit der KJF-Leitung weitere Impulse. „Die Situation ist herausfordernd.“

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