Vergleich: Gestern und Heute Am 18. Oktober 1944 lag Bonn in Schutt und Asche

Bonn · Am 18. Oktober 1944 hat ein Bombenangriff auf Bonn weite Teile der Stadt zerstört. Zeitzeugen berichten von einem Tag, der ihr Leben verändert hat.

"Ich habe am 18. Oktober 1944 in Bonn Menschen verbrennen gesehen“, sagt Heinz Schmitz. Es war am heutigen Bertha-von-Suttner-Platz, als der Neunjährige mit seinem Vater vor einer Flammenwand in der Wilhelmstraße flüchtete. Dann fügt der heute 82-jährige Bonner leise hinzu: „Dieses Bild qualvoll sterbender Menschen verfolgt mich in meinen Träumen – bis heute.“

Wenn Flüchtlinge aus Syrien oder Soldaten in Auslandseinsätzen derzeit als traumatisiert bezeichnet würden, dann habe das nach dem Krieg für viele Bonner ebenso gegolten – nur, dass es noch nicht so hieß und es seinerzeit auch keine Therapien für „posttraumatische Belastungsstörungen“ gab. Traumatisiert seien allerdings all jene gewesen, die das Flammeninferno in der Innenstadt erlebt und überlebt hätten, meint Schmitz. Und dann schweigt er. So wie übrigens eine Reihe anderer GA-Leser, mit denen die Redaktion in Kontakt steht, und die immer wieder Hinweise auf jenen verhängnisvollen Tag geben.

Doch oft sind die Gespräche kurz. Denn ausführlich reden möchten sie über die Ereignisse von damals nicht. „Ich spüre schon wieder, wie das alles wieder hochkommt“, sagt ein Bonner, der den Angriff als damals Zwölfjähriger in seinem Elternhaus im Bahnhofsviertel überlebte. Oder wie die ältere Dame aus der früheren Viktoriastraße (heute Heerstraße): Mit ihren beiden kleinen Schwestern an der Hand rannte sie bei einem anderen Angriff den Eltern voraus in den Luftschutzkeller. Die Mädchen überlebten – als Waisenkinder. Die Eltern wurden nie gefunden.

Plötzlich schrillte der Fliegeralarm

Heinz Schmitz setzt wieder an. Er sei an diesem wunderbar sonnigen Oktobermorgen vor 73 Jahren mit dem Vater, einem Feuerschutzpolizisten, von Poppelsdorf zum Wirtschaftsamt unterwegs gewesen. Plötzlich schrillte der Fliegeralarm, weil die britischen Bomber, die zuvor Richtung Rheinland-Pfalz weitergedonnert waren, völlig überraschend in den Bonner Luftraum zurückkamen.

„Ich bin an der Hand meines Papas nur noch zu einem nahen Haus in der Straße hingerannt“, berichtet Schmitz tonlos. Die letzten Meter seien sie beide vom Luftdruck einer Detonation gepackt und mit aller Wucht eine Kellertreppe hinuntergewirbelt worden. „Im Luftschutzkeller unter dem Haus saßen 120 Leute eng aneinander gedrückt. Da schob mich mein Vater dann hinein.“ Der Vater selbst habe sich als Feuerwehrexperte aber noch einmal hinausgewagt und sei dann entsetzt zurückgerannt gekommen.

„Das Dach des Hauses brennt lichterloh. Wir werden alle sterben, wenn wir hier unten bleiben“, habe er dem Bunkerwart anvertraut. Doch der habe es mit der Angst bekommen und habe niemanden in den Bombenhagel nach draußen entfliehen lassen wollen. „Da hat mein Vater mich gepackt und uns das Leben gerettet“, sagt Schmitz. Viele der anderen seien danach im Keller elend gestorben, weil der auch wirklich Feuer fing.

Angriff richtete Katastrophe an

Heinz Schmitz schluckt. Zu der Zeit, als der kleine Heinz also mit seinem Vater über Leichen stieg, um nach Hause zum Venusbergweg zu gelangen, „denn wir wollten ja unbedingt wissen, ob meine Mutter überlebt hatte“, saß die damals 13-jährige Ilse Feix im Bunker am Bahnhof. Schon beim ersten Sirenenheulen an diesem sonnigen Herbstmorgen hatte das Mädchen ihren Rucksack mit Wäsche zum Wechseln gepackt und war wie so viele Tage und Nächte zuvor zum Bunker gerannt. „Da hatten wir schon unsere festen Plätze“, erzählt Feix. Doch plötzlich merkten sie alle dort unten, dass dieser Angriff der Briten um 11.03 Uhr des 18. Oktober 1944 eine Katastrophe anrichtete: „Der Bunker schwankte, und alle schrien auf“, berichtet Feix.

Sie habe sich mit ihrem kleinen Bruder nur noch an die Mutter gekrallt. Später wieder oben hätten sie gesehen, dass der Bunker eine regelrechte Delle abbekommen hatte. Sie habe noch viele Jahre später jeden Abend gebetet, dass sie nie wieder Alarm mit Heulton mehr hören müsse. Nie mehr sollte es Krieg geben. „Ich habe Gott gedankt, dass wir überlebt haben. Mein großer Bruder dagegen ist als Soldat von dem System noch verheizt worden“, sagt Feix leise.

Oben am brennenden Gangolfkino vorbei war vor 73 Jahren der zehnjährige Heinz Schmitz inzwischen mit dem Vater auf der Flucht zum Venusbergweg zur Mutter gewesen – die der Junge dann wirklich unverletzt antraf. „Sie saß in einem Luftschutzkeller und hat nur noch geweint, als sie uns sah.“ Die Nachbarn, die sich damals auch dorthin geflüchtet hatten, hatten ihr von ihrem vorherigen Aussichtsort am Berg Schlimmes prophezeit: „Wer heute dort unten im Flammenmeer der Bonner Innenstadt gefangen ist, der überlebt das garantiert nicht.“

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