"Aktionstag Pflege" in Bonn Altern wie im Zeitraffer - Ein Selbstversuch im Spezialanzug

BONN · Alt werden müssen wir alle. Aber wer kann sich schon wirklich vorstellen, wie es ist? Schon der Gedanke daran fällt mir schwer, und erst recht, es nachzuvollziehen.

Dem soll nun abgeholfen werden: Um jüngere Menschen dafür zu sensibilisieren, was es heißt, körperlich eingeschränkt zu sein, gibt es beim "Aktionstag Pflege" der Altersanzug. Und in dem altere ich Schritt für Schritt um rund 60 Jahre. Die Gewichte an Fuß- und Handgelenken machen meine Glieder schwer, die Manschetten für Knie und Ellenbogen simulieren Arthrose.

Die Halskrause macht es mir unmöglich, meinen Kopf schnell zu drehen. Doch die größte Hürde kommt noch: Eine Spezialbrille simuliert den Sehkraftverlust, wie ihn rund 80-jährige Menschen haben - ohne weitere Sehschwäche. Diese Brillen werden von Stadtplanern eingesetzt, um Kreuzungen und Ähnliches seniorengerecht zu bauen.

Habe ich mich manchmal insgeheim darüber geärgert, Dinge fünf Mal sagen zu müssen, weiß ich nun, warum: Spezielle Ohrschützer schirmen meinen Gehörgang von der Geräuschkulisse des Münsterplatzes ab. Um mein Gegenüber zu verstehen, klebe ich förmlich an seinen Lippen, trotzdem muss ich öfter nachfragen.

So will ich mich gerade zu meinem Rollator bewegen, als ich hinter mir dumpf eine Stimme höre: "Halt, wir haben noch was vergessen!" Ich ahne, dass es wohl nicht besser wird. In der Tat: Eine zehn Kilo schwere Bleiweste drückt mich in eine gebückte Haltung, die man bei vielen Senioren beobachtet. Jetzt ist es endgültig vorbei mit lockeren Bewegungen.

Unsicher bewege ich mich zu meinem Freund, dem Rollator. Was so einfach aussieht, erfordert viel Übung und sollte frühzeitig geprobt werden, bevor der Ernstfall eintritt. Meine ersten Versuche, die Holzpalette, die als Bordstein dient, zu bewältigen, sind nicht wirklich von Erfolg gekrönt.

Die richtige Technik gelingt mir nur bedingt, zudem ist mein Sichtfeld enorm eingeschränkt, und ich bewege mich vorsichtig und langsam. Glücklicherweise darf ich den Anzug wieder ausziehen, doch ich weiß: Irgendwann geht das nicht mehr. Dann hoffe auch ich auf Menschen, die auf mich Rücksicht nehmen.

Was die Verbände fordern

  • Finanzielle Unterstützung der Politik für die Pflege
  • Würdevolle Pflege unabhängig von finanzieller Situation der Betroffenen
  • Bessere Bezahlung und höhere, gesellschaftliche Anerkennung der Pflegekräfte
  • Verbesserte Ausbildung inklusive Aufstiegschancen
  • Entlastung und Wertschätzung für pflegende Angehörige
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