Kunstraum für Menschen mit Autismus Verein verwandelt alte VHS in Bonn in Kulturzentrum

Bonn · Der Kulturverein Rhizom hat die alte VHS in ein selbstorganisiertes Kulturzentrum verwandelt. Zu den vielfältigen Angeboten gehört auch ein offener Kunstraum für Menschen mit Autismus.

 Familiäre Atmosphäre: Im offenen Kunstraum des Kulturzentrums können Besucher und Betreuer ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

Familiäre Atmosphäre: Im offenen Kunstraum des Kulturzentrums können Besucher und Betreuer ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

Foto: Abir Kassis

Jeden Dienstag treffen sich Menschen mit Autismus in der alten Volkshochschule zum „Offenen Kunstraum“. In Begleitung von Angehörigen und Fachberatern können sie ein vielfältiges kulturelles Angebot nutzen.

Frank Elias vom ambulanten betreuten Wohnen „MoveAut“ engagiert sich für Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für Menschen mit Autismus. Da Menschen mit dieser Krankheit auf ein rücksichtsvolles Umfeld angewiesen sind, bietet sich die alte Volkshochschule in der Innenstadt gut an. Der Kulturverein Rhizom hat das 800 Quadratmeter große Gebäude von der Stadt gemietet und es in ein selbstorganisiertes Kulturzentrum verwandelt, berichtet Vorstandsmitglied Kai Kattelmann (27).

Unter dem Motto „Bonn für alle“ organisiert der basisdemokratische Verein kulturelle Veranstaltungen aller Art in seinen Räumlichkeiten. Immer dienstags zwischen 14 und 18 Uhr darf Frank Elias seit Dezember 2019 in zwei Kreativräumen der alten Volkshochschule den „Offenen Kunstraum“ stattfinden lassen.

In der Siebdruckwerkstatt und im kleinen Atelier sollen Menschen mit Autismus die Gelegenheit erhalten, sich in Kreativität zu üben. Malen, Zeichnen, Nähen, Bildhauen, Musik, Siebdruck, Schreiben und viele weitere kreativitätsfördernde Aktivitäten sollen Erkrankten ermöglichen, ihre Talente zu erkennen.

Ein vertrauenserweckendes Ambiente in dem liebevoll eingerichteten Gebäude soll mögliche Inselbegabungen fördern. Physikstudent und Autor Linus Plagens ist 21 Jahre alt und nutzt die ruhige Atmosphäre der Räumlichkeiten gerne zum Lernen für seine Prüfungen. Am liebsten hält er sich in einem hölzernen Raum der Volkshochschule auf, den Kulturschaffende des Vereins selbst errichtet und mit Lichteffekten bestückt haben. „Frank meinte, dass ich gern jedes Mal in den gemütlichen Raum hinein kann und, dass ich das Recht dazu habe, mich alleine in einem Raum aufzuhalten, wenn ich es möchte“, sagt Plagens.

„Die Stadt versucht überall zu sparen“

Rund 20 weitere Menschen mit Autismus besuchen jeden Dienstag den „Offenen Kunstraum“ auf der Kasernenstraße 50, unweit des Amtsgerichts. Bildhauer Guntran Paulsen (59) sucht dort Kontakt zu anderen Menschen mit Autismus. „Man kann seine eigenen Macken besser akzeptieren, wenn man sieht, dass man nicht der einzige ist“, erzählt er. Bianca Hoster (52) ist Mutter eines Sohns mit Autismus. „Wenn ich nicht mitkomme, will er nicht hierhin, dabei soll er doch unter Leute kommen“, bedauert sie. „Ich begleite nur meine Mutter hierhin“, scherzt der 23-jährige Torben, der im Offenen Kunstraum gerne malt.

Ohne die Initiative von Frank Elias könnten Menschen mit autistischen Erkrankungen ein solches Angebot nicht kostenlos nutzen. „Die Stadt versucht überall zu sparen“, erklärt der Sozialarbeiter. „Wenn keine tiefenpsychologische Erkrankung vorliegt, müssen Betroffene zwei Jahre auf eine Therapie warten“, fügt er hinzu.

Eine neue Idee des Initiators ist, einen Frisörsalon für Menschen mit Autismus in dem Gebäude zu eröffnen. „Viele Erkrankte mögen keinen Schaum, keine Spiegel oder keine Gespräche mit Fremden“, erklärt Elias. Da konventionelle Frisörbetriebe kein „autisten-freundliches“ Angebot haben, gingen viele Menschen mit der Krankheit nur alle paar Jahre zum Frisör. Das Leitbild der alten VHS unterstützt die Initiative, die Aussichten für einen Ausbau des Projekts stehen gut.

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