Ortsrundgang in Dottendorf Altbürger beklagen fehlende Identität

Dottendorf · Ist eigentlich in Dottendorf die Welt noch in Ordnung? Der Ort am Fuße des Venusbergs scheint perfekt zum Leben zu sein. Man ist schnell im Wald, auch in der Rheinaue, hört keinen Lärm von Autobahn oder Bahngleisen, bleibt von Fluglärm verschont, ist schnell in der Bonner City, aber ebenso fix auch in Bad Godesberg.

 Diskutieren am Quirinusplatz über Dottendorfer Angelegenheiten: (von links) Ulrich Woesler, Burghard Mandt und der neue Dorfpolizist Uli Orth. Im Hintergrund erhebt sich der Bunker.

Diskutieren am Quirinusplatz über Dottendorfer Angelegenheiten: (von links) Ulrich Woesler, Burghard Mandt und der neue Dorfpolizist Uli Orth. Im Hintergrund erhebt sich der Bunker.

Foto: Roland Kohls

Tolle Voraussetzungen für Neubürger, vor allem wenn sie bei Post und Telekom arbeiten und zu Fuß ins Büro gehen könnten.Doch die echten Dottendorfer beklagen einen Verlust an Identität. "Das ist kein Dorf mehr, sondern ein Stadtteil", bringt es Dieter Herzig (70) auf den Punkt. Er ist gebürtig von hier und findet, dass viel Traditionelles verloren gegangen ist.

"Die Vereine jonn kapott, Kneipen jitt et nur noch zwei. Et is net mehr esu wie fröher", sagt er in breitem Platt. Gleichwohl: Geblieben ist er trotzdem. Und schön findet er es immer noch. Früher hat Herzig im Fußballverein Hertha Bonn "mitjemengt", heute in der Kirchengemeinde. "Aber echte Dottendorfer gibt es immer weniger", fällt ihm auf.

Die wissen zum Beispiel, dass Einheimische den Quirinusplatz ganz anders nennen - es ist der "Bunkerplatz", weil da dieses riesige Bauwerk steht, innen ist es übrigens leer und langweilig. Was auch Neubürger Ulrich Woesler nicht weiß, der mit dabei ist beim Treffen: Unter dem Bunker gibt es ein Trinkwasserreservoir, so Herzig. "Ich habe das Wasser selbst mal probiert", sagt er. "Hat gut geschmeckt." Und das, obwohl ihm die Feuerwehr damals gesagt hat, das Wasser sei bestimmt 50 Jahre alt gewesen.

Woesler dagegen bezeichnet sich selbst als Neubürger, obwohl er auch schon zehn Jahre hier wohnt. Damals hatte er keine persönliche Beziehung zu dem Ort. "Ich wollte eigentlich näher an die Stadt ran, aber die Wohnung war gut und meine Frau wollte hierher", sagt der 74-Jährige. Inzwischen hat er die Vorteile schätzen gelernt. "Mir gefällt die Umgebung, und die Museen sind schnell zu erreichen." Für Herzig ist dagegen klar: Altbürger wird der Nebenmann nie: "Hier in Dottendorf wirst du nicht eingebürgert."

Der Blick fällt aufs frühere Schwesternwohnheim am "Bunkerplatz", das mit seinen verrammelten Fenstern einen maroden Eindruck macht. "Das ist ein Schandfleck und ich garantiere, dass da auch Ratten sind", meint Burghard Mandt. Das Marien-Hospital will es seit Jahren vermarkten, sei aber an den Wünschen der Stadt gescheitert.

Dabei gebe es einen Investor, so Sprecherin Vera Schweitzer. Mandt hat nach eigener Aussage auch jemanden gehabt, der die Bunkertreppe abreißen und dort ein Haus bauen wollte. Auch hier gab es keine Genehmigung, der Bunker ist ein Denkmal. Mandt ist einer, der für Alt- und Neubürger etwas tun will. Er war der Motor, dass nach dem Aus der Gastronomie im Ortsteilzentrum dort ein Treffpunkt der Bürger geblieben ist.

"Wir versuchen hier, Dorfleben attraktiv für alle zu machen und konnten einen Teil des Ortszentrums dafür retten", sagt er. Dafür wurde extra ein Bürgerverein gegründet, womit Dottendorf ein Alleinstellungsmerkmal hat: Es dürfte der einzige Ort sein, in dem es sowohl einen Ortsausschuss als auch einen Bürgerverein gibt. In beiden ist Mandt übrigens Vorsitzender.

Das Angebot wird angenommen, für Jazz-Konzerte, aber auch für Geburtstagsfeiern und Hochzeitsgesellschaften, die sich hier gerne einmieten. Für 150 Euro und 30 Euro Grundreinigung findet Mandt das nicht zu teuer.

Die Ausstattung des früheren Gastraums im Ortszentrum hat der 68-Jährige übrigens selbst besorgt. Die Lederstühle sind aus der Redoute, das Porzellan aus dem Bristol, die Lampen vom Flohmarkt. Und hinter der selbst gebauten Theke steht eine Puppe, gespendet von Kosmetikerin Katharina Simon. "Eine Frau hat mich mal darauf angesprochen, wir hätten aber eine unfreundliche Kellnerin. Denn die sagt ja nichts."

Das ist so recht nach Mandts Humor. Ein anderer Hinweis darauf: Er hat in die Vitrine mit Schätzen aus dem Ort, darunter Wetzstein, Wiegemesser und Pfeffertopf der früheren Metzgerei Jonas eine Handvoll Glasperlen gelegt. Mit dem Hinweisschild, das seien Diamanten aus einem Nebenarm des Rheins von 1870.

Dottendorf ist ein ruhiger Stadtteil, es sei denn man liegt auf dem Südfriedhof. Dort treiben seit geraumer Zeit die Wildschweine ihr Unwesen und haben praktisch jedes zweite Grab umgepflügt. Ansonsten ist es tatsächlich ruhig. "Unauffällig" nennt es der Polizeibezirksbeamte Uli Orth. Anfang Dezember habe es mal eine Einbruchserie gegeben, das war's.

In den 70er Jahren, da gab es hier neben Haribo noch einen anderen großen Arbeitgeber. Das war die Parfümkette Lancôme. Damals, so erinnert sich Herzig, haben alle nach Green Water, dem Lancôme-Produkt, gerochen. Und es habe einen "grauen Markt" mit der Rückgabeware gegeben. Aus und vorbei, seit Lancôme aus Dottendorf wegzog.

Mandt hat sich übrigens auch auf die Fahne geschrieben, dass der Quirinusplatz schöner werden soll und mit Bänken und einem kleinen Park mehr Aufenthaltsqualität bieten soll. Aber auch hier darf es nur eine preiswerte Variante sein. "Ich wollte eigentlich auch die Dottendorfer Straße mit Blattgold belegen lassen", juxt Mandt. "Aber das haben die mir nicht durchgehen lassen."

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