Anekdoten aus Poppelsdorf Als der Paias im Poppelsdorfer Weiher verschwand

Poppelsdorf · Fast täglich treffen sich die Ur-Poppelsdorfer Johannes Langel und Wolfgang Dahlhausen zum Kaffeekränzchen. Die Geschichten, die sie dabei erzählen, stammen aus längst vergangenen Zeiten.

Manches Mal sitzen Johannes Langel (73) und Wolfgang Dahlhausen (76) einfach nur schweigend vor dem Bäckerei-Café unter den Arkaden der Clemens-August-Straße und beobachten, was sich auf der Straße und der gegenüberliegenden Seite so tut. Und was sich im Laufe der Jahrzehnte so getan hat. „Das ist ja inzwischen eine Autobahn geworden“, sagt Langel und erinnert sich an die Zeit zurück, in der er Poppelsdorf noch ganz anders erlebt hat. „Früher war alles lustiger und schöner“, meint er und lacht. Sein Freund Wolfgang korrigiert: „Du meinst jetzt aber nicht, dass früher alles besser war, oder?“

Nein, es sei früher nicht alles besser gewesen. Doch Langel fehlt heute der Zusammenhalt, die Verbundenheit der Menschen untereinander. „Früher hatten wir hier eine Volksschule, nach der man dann ganz selbstverständlich in die Lehre bei einem der Schlosser, Metzger oder Bäcker am Ort ging.“ Vorbei. Schon nach der Grundschule gingen die Kinder in einen anderen Stadtteil. „Dann studieren sie und sind weg“, so Langel. Er ging nicht.

Treffen ist immer um 14 Uhr

Die beiden Männer treffen sich immer von Dienstag bis Freitag um 14 Uhr zum Kaffee. Donnerstags seit mehr als 60 Jahren in der Kolpingsfamilie. Sie sind sich sicher, dass es nicht mehr viele ihres Alters gibt, die in Poppelsdorf geblieben sind. „Ich kenne vielleicht ein oder zwei“, sagt Langel.

Im Marienhospital geboren, zog seine Familie erst nach Schwarzrheindorf, bevor sie mit dem 14-jährigen Johannes nach Poppelsdorf kamen, wo seine Großeltern eine Gärtnerei am Poppelsdorfer Platz unterhielten. „1967 sind wir dann straßenverdrängt worden“, sagt Langel, man hatte die Häuserzeile bis zum Wallfahrtsweg abgerissen. „So zogen wir kurzzeitig nach Dottendorf um.“ Doch wenig später lernte er mit Ina seine spätere Frau kennen. Eine Ur-Poppelsdorferin, wie er stolz verkündet. Mit ihr wohnt er seit 50 Jahren an der Sebastianstraße. Dahlhausen hat seit seiner Geburt im Kessenicher Klösterchen Poppelsdorf nie verlassen.

Seit Anfang der 60er Jahre die autobahnähnliche Verlängerung der Reuterstraße zur A 565 gebaut wurde, sei es bei ihm an der Kekuléstraße eigentlich zu laut geworden. „Kein Mensch weiß, warum die einen glatten Beton für die Unterführung gewählt haben, der den Schall ungehindert bis in unsere Ohren reflektiert“, so Dahlhausen. Sein Elternhaus steht nur wenige Meter von der vielbefahrenen Schnellstraße entfernt. So zieht es ihn und sein Frau schon seit etlichen Jahren nahezu jedes Wochenende ins eigene Ferienhaus im Westerwald. „Meistens ist dort eine Totenstille.“ Nur hin und wieder werde die Ruhe durch ein Flugzeug unterbrochen, das über Uckerath den Wahner Flughafen ansteuert. Auch Langel ist es an der Clemens-August-Straße zu laut geworden.

Gerne erinnert er sich an die Zeit, als noch die Bauten der Soennecken- und Wesselwerke den Stadtteil bestimmten. „Da waren ja früher fast alle beschäftigt.“ Das habe eine Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt. Mit deren Abriss und dem späteren Entstehen der heutigen Partymeile habe sich das Viertel komplett verändert. „Damals waren ja auch alle in irgendeinem Verein und kannten sich“, so Langel. Er hat die längst verschwundenen Tauben- und Kanarienvogelzüchter noch kennengelernt. Selbst die Freiwillige Feuerwehr gebe es ja nicht mehr. „Alle Vereine klagen ja über fehlenden Nachwuchs.“

Als er 1963 zu den Sankt-Sebastianus-Schützen kam, standen sie mit 48 Aktiven auf dem Schießstand. „Heute sind es nur noch 14, die den grünen Rock anziehen.“ Einzig das Poppelsdorfer Straßenfest brächte noch mal alle zusammen. Manchmal auch die Kirmes, die damals noch vom Botanischen Garten bis zum Clemens-August-Platz und weit in die Kekuléstraße reichte. Langel fällt die Geschichte ein, wie man in den 80ern den Kirmesmann zum Tod durch Ertränken verurteilt hatte. In feierlicher Prozession brachte man die Strohpuppe zum Schlossweiher. „Verbrennen war ja verboten“, erinnert er sich: Seitdem man einmal den Styroporkopf der Puppe angezündet hatte und der Gestank und Rauch alle Umstehenden in die Flucht schlug, war es mit dem Feuertod vorbei.

„Also warfen wir den Paias ins Wasser und waren zutiefst erschrocken, dass er nicht mehr auftauchte.“ Er sei einfach spurlos verschwunden gewesen. Das sei so lange ernsthaft beunruhigend gewesen, bis sich herausstellte, dass im dunklen Wasser ein Taucher darauf gewartet hatte, die Puppe blitzschnell unter die Schlossbrücke zu ziehen und dort zu verstecken.

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