Kinderbetreuung in Bonn Alleinerziehende musste ein Jahr auf Kita-Platz warten

BONN · Die 44-Jährige konnte nicht mehr. Seit einem Jahr suchte die Bonnerin nach einem Kindergartenplatz für ihre Tochter (2). Ihre Arbeitgeberin wollte wissen, wie es weitergeht. Und die Alleinerziehende bekam nur Absagen. Und das machte sie fertig.

 Betreuerinnen kümmern sich in der städtischen Kindertagesstätte An der Umkehr liebevoll um eine Gruppe von Kleinkindern. Mit dem Fall der hilfesuchenden Mutter hat die Einrichtung nichts zu tun.

Betreuerinnen kümmern sich in der städtischen Kindertagesstätte An der Umkehr liebevoll um eine Gruppe von Kleinkindern. Mit dem Fall der hilfesuchenden Mutter hat die Einrichtung nichts zu tun.

Foto: Malsch

Erst als sie drohte, mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen und der General-Anzeiger nachhakte, ging plötzlich alles ganz schnell: Jetzt hat sie einen Kindergartenplatz. Um keinen Ärger zu bekommen, will sie ihre Erfahrungen nur anonym schildern.

Die 44-Jährige ist zahnmedizinische Fachangestellte in einer Praxis in der Altstadt. Nebenbei machte sie Abitur an der Abendschule, studierte Sonderschulpädagogik. Ihre Tochter war ein Wunschkind. Doch als ihre Ehe Anfang 2012 scheiterte, wurde ihr Leben durcheinandergeschüttelt.

Um für ihren Unterhalt selbst sorgen zu können, brauchte sie dringend einen Kindergartenplatz. Es begann eine Odyssee - nicht ganz untypisch in einer Stadt wie Bonn. Die 44-Jährige sah sich auf "Kigan" um, der offiziellen Internetseite der Stadt Bonn für Eltern, die einen Kindergartenplatz möchten.

Sie suchte in der Altstadt, erst in einem engen Radius, schließlich bis zu einer Entfernung von sieben Kilometern. Für jemanden ohne Auto eine weite Strecke. Sie stellte Anfragen. Sie erhielt nur drei Antworten, und alle Kitas wollten ihre Tochter damals erst nehmen, wenn sie drei Jahre alt ist. Drei wird das Mädchen aber erst Ende Mai, und ab 1. August 2013 gibt es ohnehin einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren (siehe unten).

Die 44-Jährige wandte sich an das Familienbüro. "Dort war man nett", betont sie. "Man hat mir versichert, es würde schon klappen." Ein Jahr lang. Doch sie gab nicht auf. Sie rief beim Jugendamt an, meldete sich bei den Kindergärten persönlich. Teilweise habe sie erlebt, wie sich 50 Familien für acht Plätze in einer Kita interessierten. "In einer Einrichtung hat man mir gesagt, es interessiere niemanden, ob ich alleinerziehend sei."

Andere rieten ihr zu klagen. Tagesmütter seien ebenfalls rar gesät. Manche von ihnen arbeiteten schwarz und hätten ihr einen Platz angeboten. "Aber die kennen die Not. Was die verlangen, hätte ich mir nicht leisten können", so die 44-Jährige. Sie engagierte eine Studentin, um wenigstens zwei Tage in der Woche arbeiten zu können. Als vor kurzem der erlösende Anruf kam, war die 44-Jährige glücklich. Aber das vergangene Jahr hat Spuren hinterlassen. Sie hält das System für unzureichend. Es mache krank.

Die Stadt Bonn verweist darauf, dass zwischen Anfang des Jahres und etwa Mitte März die Betreuungsplätze vergeben werden, die im Sommer frei würden. Zudem würden zwischen Mai und August immer wieder weitere Plätze frei, weil Eltern mehrere Zusagen für ihre Kinder erhalten hätten und sich jetzt für einen Platz entschieden. Zudem falle dann die endgültige Entscheidung zu den Kann-Kindern in den Schulen.

Auch Umzüge in den Sommermonaten führten zu weiteren freien Plätzen. Die Platzvergabe, so die Stadt, liege in der Hoheit der Träger der Einrichtungen. Bei besonderen familiären Situationen werde eine Unterstützung durch das Familienbüro angeboten. Es werde versucht, im Kontakt mit den Einrichtungen oder dem Netzwerk für Kinderbetreuung in Familien für die Unterstützung der betroffenen Familien zu werben. Direkten Einfluss habe die Stadt aber nicht.

Ob es einen Mangel an Kindergartenplätzen gibt, lässt sich laut Presseamt schwer abschätzen. Da es keine Verpflichtung der Eltern zur Kinderbetreuung in öffentlich geförderten Einrichtungen gebe, arbeite die Stadt mit den üblichen Erhebungsverfahren, um den Bedarf zu ermitteln: Die Wartelisten im Kindergarteninformationssystem (KIGAN) und die Listen im Familienbüro würden mit der Jugendhilfeplanung abgeglichen.

U 3-Plätze: Bedarf höher als das Angebot

Die Stadt Bonn wird ab August, wenn der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren in Kraft tritt, für knapp 40 Prozent der rund 8300 Bonner Kinder dieser Altersgruppe Plätze anbieten können. Der geschätzte Bedarf ist höher: etwa 60 Prozent. Von 3308 öffentlich geförderten U 3-Plätzen stehen 2458 in Tagesstätten und 850 bei Tagesmüttern zur Verfügung.

Der Ausbau der U 3-Plätze hat laut Jugendamtsleiter Udo Stein dazu geführt, dass die Zahl der Plätze für Kinder über drei Jahren leicht gesunken ist. Dennoch werde kein Kind leer ausgehen. Seit 1996 sind Kitaplätze für Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt für die Kommunen Pflichtaufgabe. Der Anspruch besteht auf wenigstens einen Halbtagsplatz.

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