Nahverkehr in Bonn Alle 34 Sekunden eine Gondel

BONN · Der Raum- und Städteplaner Heiner Monheim hat die Pläne für eine Seilbahn zwischen Ennert und Venusberg in der Schublade. Sein Fazit: Jeder Straßentunnel wäre teurer und weniger effektiv.

Alles nur ein Traum? Wer auf den Venusberg will, steigt in eine Gondel und steht in Handumdrehen auf dem Klinikgelände. Die Parkhäuser verwaisen langsam, weil es eigentlich keinen Grund mehr gibt, über Kessenich oder Poppelsdorf mit dem Auto dorthin zu fahren. Auch bei der Talfahrt muss man nicht lange anstehen. Es geht am Seil zur Straßenbahn am Hindenburgplatz oder sogar bis zur Museumsmeile. Verkehrsexperte Heiner Monheim spinnt diese Vision noch weiter. Der Professor für Angewandte Geographie glaubt, im Gegensatz zu manchem Politiker oder Planer im Stadthaus, dass eine Seilbahn durch Bonn viele Probleme lösen wird und am Ende sogar bezahlbar und damit realistisch ist.

Das Thema Seilbahn für Bonn ist nicht neu. Man hat laut Monheim auch schon in den 50er Jahren und dann noch einmal in dern 60er/70er Jahren darüber diskutiert. Als die Idee jetzt wieder auf den Tisch kam, hätten sich alle kaputtgelacht. "Das ist typisch für die Mentalität hier. Einen Autobahntunnel kann sich jeder vorstellen", sagt Monheim, der selbst seit 30 Jahren auf einen Pkw verzichtet. Während sich die Stadt nur mit einer Seilbahn vom Hindenburgplatz zur Venusberg beschäftige, schaut er sich die gesamte Querachse über den Rhein hinweg bis zum Ennert an.

"So entsteht ein Verkehrswert von sensationellem Charakter", sagt Monheim. Links- wie Rechtsrheinisch würden über Haltestellen die Bundesbahn und Stadtbahnen angeschlossen, zudem noch in Dottendorf die 61 und 62. Neben den Arbeitsplätzen der Unikliniken würden auch Telekom, "BonnVisio" und Post Tower bequem und schnell erreicht.

Das System: Monheim träumt von einer Umlaufbahn, an der zahlreiche Kabinen hängen. So käme dann alle 34 Sekunden eine Gondel vorbei. 35 Personen passen da jeweils rein. Fahrräder lassen sich transportieren, alles ist Niederflur und barrierefrei. In La Paz, dem Regierungssitz Boliviens, gibt es ein ähnliches System schon länger: Erst vor kurzem ist dort eine dritte Linienverbindung, gebaut von der Österreichischen Firma Doppelmayr, eingeweiht worden.

Das Bonner System variiert zu den geraden Seilbahnen, die man aus den Bergen kennt: "Der Trassenverlauf soll möglichst im öffentlichen Raum erfolgen", sagt Monheim. Das bedeutet, dass die Gondeln auch um Ecken und Kurven fahren können und sollen - technisch möglich. So erinnert das Ganze vielleicht ein wenig an die Wuppertaler Schwebebahn, ist nur filigraner.

So ginge es vom Venusberg runter zum Hindenburgplatz und dann schräg weiter über die Urstadt- und Hermann-Milde-Straße durchs Wasserland zu den Bahnhöfen am geplanten neuen DB-Haltepunkt, an der Museumsmeile und am Post Tower. Danach gondelt man weiter über den Rhein.

Mit einer solchen Seilbahn lassen sich Distanzen von bis zu sieben Kilometern überwinden

Mit einer solchen Seilbahn, die ans normale ÖPNV-Netz angeschlossen werde, lassen sich nach Monheims Angaben Distanzen von bis zu sieben Kilometer überwinden. Danach stoße das System an seine technischen Grenzen. Die Geschwindigkeit betrage etwa 17 Stundenkilometer. Ein Nachteil: Jeder Bahnhof geht richtig ins Geld.

l Die Kosten: Heiner Monheim rechnet, dass die Strecke vom Venusberg zur B9 etwa 54 Millionen Euro kosten wird. Geht es weiter bis zum Ennert, das Doppelte. "Die Straße ist aber teurer." Der viel diskutierte Ennertaufstieg schlage bestimmt mit 250 Millionen Euro Baukosten zu Buche, ein Venusbergtunnel mit 400 Millionen. Selbst die Schaffung von Parkraum koste enorm viel, und alles in allem hole man sich immer mehr Autos in den Bonner Kessel. Die Seilbahn habe aber einen "riesiegen regionalen Netzeffekt", prognostiziert der Visionär und rechnet mit einem Verkehrswert von vier bis fünf. Normalerweise liege dieser Kosten-Nutzen-Faktor im Nahverkehr bei 1,2. Alles unter eins werde nicht gefördert. Die Seilbahn schneide deshalb so gut ab, "weil sensationelle Zeitvorteile rausspringen".

Egal aus welcher Richtung man nach Bonn komme, es lohne sich durch die neue Querspange immer, den Nahverkehr zu nutzen. "So eine Qualität gibt es weltweit nur noch im Schienenverkehr von Tokio". Damit handele es sich um ein einzigartiges Projekt, dass weltweit Aufsehen erlangen werde. Ein Investor könnte es realisieren, der dann Verträge mit dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) schließt.

Doch warum sind viele heute so skeptisch? "Die Stadt hat riesige Ängste", sagt Monheim. Das hänge nicht zuletzt auch mit den Skandalen rund ums World Conference Center Bonn (WCCB) zusammen.

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