Kommentar zum Kirschblütenfest Abstand zum Kapitalismus

Meinung | Bonn · Man muss die Altstädter ein wenig kennen, um ihre heftige Reaktion auf die Pläne für das Kirschblütenfest zu verstehen. Sie fürchten nicht nur, dass ihr Straßenfest an Charme verliert. Die Reaktion hat auch etwas mit der Weltanschauung zu tun: Dass nämlich nicht aus allem Kapital geschlagen werden darf.

Musik und Kirschblüten: Die Altstadt ist im Frühjahr zu einem beliebten Ort geworden.

Musik und Kirschblüten: Die Altstadt ist im Frühjahr zu einem beliebten Ort geworden.

Foto: Privat

Keiner weiß so recht, wie viele Menschen sich an den Kirschblüten in der Bonner Altstadt erfreuen. Es werden mittlerweile Zehntausende in der recht kurzen Zeit der tatsächlichen Blüte sein. Sie kommen an den Wochenenden auch ohne ein kommerzielles Fest in Scharen, sie kommen sogar in der Nacht und halten den Moment mit der Kamera fest.

Das ist ohnehin ziemlich nervig und strapaziös für viele Anwohner und führt zu der berechtigten Frage, ob eine Kommerzialisierung, ob eine Vermarktung durch ein Kirschblütenfest – auch wenn es nur für einen Tag ist – wirklich notwendig ist. Oder, zugespitzter: Ob die Altstadt mit ihren schmalen Straßen der richtige Ort für ein solches Fest ist. Viele Bewohner und dortige Geschäftsleute haben ihre Zweifel.

Dafür muss man die Altstädter ein bisschen kennen, die seit jeher versuchen, einen ordentlichen Abstand zum Kapitalismus einzuhalten. Der Grüne Laden als einer der ersten Bioläden in Bonn engagiert sich in der Antiatomkraftbewegung. Die Modeboutique mit Café, „Frau Holle“, setzt auf nachhaltige Mode, die Büchergilde hieß vormals „Che und Chandler“.

Man ist durchaus politisch unterwegs in dieser Gegend – und zwar links. Gleiches gilt für viele Anwohner. Deshalb verwundert auch die heftige Reaktion auf eine Kommerzialisierung kaum. Die Altstadt kann man in dieser Hinsicht vielleicht mit dem kleinen Gallien vergleichen, das sich standhaft gegen die Römer zur Wehr setzt. Das ist ein ehrbarer Kampf, der auch geführt wird, weil man die berechtigte Befürchtung hat, dass der Charme eines der quirligsten Viertel der Stadt unter der Kommerzialisierung möglicherweise Schaden nehmen könnte.

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