Bonner Köpfe: Die Meteorologin Christiane Textor Zwischen Klimaforschung und Politik

Bonn · Seit neun Jahren leitet Christiane Textor beim Projektträger des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) im Auftrag zweier Ministerien die deutsche Koordinierungsstelle für den UN-Klimarat IPCC.

Nachdem die Temperaturen sich doch noch der Jahreszeit angepasst haben, fegt ein eisiger Wind durch das Rheintal. Nur noch wenige Spaziergänger sind auf der Rheinpromenade unterwegs. Christiane Textor hat den Daunenmantel fest geschlossen und dazu noch einen bunten Schal umgebunden. Wind kennt die gebürtige Kasselerin von ihrer Studienzeit in Hamburg, wo sie zunächst einen Abschluss in Chemie ablegte und später in Meteorologie über chemische Reaktionen in der Atmosphäre nach Vulkanausbrüchen promovierte.

An solchen Tagen, wenn der Sommer nur noch Erinnerung ist, hatte die Wissenschaftlerin in der Vergangenheit immer wieder einmal Diskussionen mit Freunden und Bekannten über den Klimawandel und seine Folgen. Einer warf ihr glatt vor, an den Klimawandel glaube sie nur, weil der ihren Arbeitsplatz sichert. Das habe sich in den letzten Jahren verändert, stellt Textor fest: „Gerade der letzte Sommer hat vielen die Augen geöffnet. Dass sich das Klima ändert, bezweifelt fast niemand mehr.“ An dieser Entwicklung hat die Beuelerin – auch wenn sie das selbst nicht zugeben würde – einen vielleicht gar nicht so kleinen Anteil.

„Wir beraten das Bundesforschungsministerium bei seinen Förderstrategien und das Bundesumweltministerium in wissenschaftlichen Fachfragen“, erklärt sie. Umgekehrt veröffentlicht die Stelle Ausschreibungen des Weltklimarats für Gutachten und die Mitarbeit an den Weltklimaberichten. Eine Jahrestagung bringt Wissenschaftler, Ministeriale und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zusammen.

Für die Naturwissenschaftlerin ist die Aufgabe überaus reizvoll, bewegt sie sich damit doch an der Grenze zweier Sphären mit ganz unterschiedlichen Handlungsweisen und Kommunikationsgepflogenheiten. Präzision hier und Diplomatie dort – Textor beliefert in ihrer durchweg neutralen Rolle beide Seiten.

Trotzdem bekommt sie bei ihrer Arbeit weitaus mehr mit als der Durchschnittsbürger. Schon einige schlaflose Nächte lägen hinter ihr, gesteht sie. Denn was die Wissenschaft für die Zukunft voraussagt, lässt ungemütliche Zeiten erwarten. „Meine Nichte ist 2,5 Jahre alt. Die wird das erleben“, sagt Textor. Von Verzweiflung oder Ratlosigkeit will sie trotzdem nicht sprechen. „Bei mir löst das vor allem einen großen Ansporn aus, dass wir noch viel mehr tun müssen“. Auf den Weltklimakonferenzen trägt die Bonnerin als Mitglied der deutschen Delegation dazu bei - ab 1. Dezember bei der COP 24 im polnischen Kattowitz.

Im Freundeskreis strecke sie den Zeigefinger dennoch nicht aus. „Es ist ein weiter Weg von der rationalen Erkenntnis bis zur Veränderung des Verhaltens“, sagt Textor. Und merkt es auch im eigenen Leben: Bei privaten Urlaubsreisen zahlt sie zur Kompensation für klimaschädliche Flüge. Auch bei Lebensmitteln achtet sie auf möglichst klimafreundliche Produktion. Aber schon bei Kleidung oder Schuhen werde es schwierig. Da hülfen wohl nur staatliche Vorgaben an die Produzenten.

Nur wenn sich Mitmenschen völlig ignorant gegen wissenschaftliche Erkenntnis zeigen, ist Textors Toleranzschwelle mit den Jahren gesunken. Impfgegner oder Anhänger der Homöopathie kann die engagierte Wissenschaftlerin nicht verstehen. Und warum die Flotte der spritfressenden SUV's in den letzten Jahren so anwachsen musste, ist ihr ein Rätsel. „Unser Leben wird sich in jedem Fall stark verändern“, glaubt sie mit Blick auf den Klimawandel, „aber nur falls wir jetzt sofort anfangen umzusteuern, haben wir noch die Gelegenheit, das selbst zu gestalten“.

So ein Herbsttag mit grauen Wolken und einem Wind, der den Kopf durchpustet, ist schließlich auch ein hübscher Kontrast zum stickig-schwülen Sommer. Wäre schade, wenn irgendwann der Herbst im Rheinland nur noch Erinnerung sein sollte.

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