Bonner Landgericht Viereinhalb Jahre Haft für jungen Messerstecher

Bonn · Er ist erst 15 Jahre alt und hat seit Beginn seiner Strafmündigkeit vor neun Monaten so viele Taten begangen, dass selbst die erfahrene Jugendstrafkammer fassungslos war.

 Das Landgericht in Bonn.

Das Landgericht in Bonn.

Foto: dpa

Die letzte Tat brachte den Intensivtäter im Sommer 2016 schließlich in U-Haft: Er stach seinen besten Freund nieder und verletzte ihn schwer.

Hinter Gittern bleibt er nun: Das Gericht verurteilte ihn wegen versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung und 18 weiteren Taten zu viereinhalb Jahren Jugendstrafe. Das teilte Gerichtssprecher Bastian Szech nach der Urteilsverkündung mit, die wie der gesamte Prozess aus Jugendschutzgründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. „Eine so beispiellose Karriere haben wir hier noch nicht gehabt“, befand Strafkammervorsitzender Volker Kunkel im Urteil.

Tatsächlich war der Messerangriff am 6. Juli in Tannenbusch auf den Freund nur der traurige Höhepunkt dieser „Karriere“: An dem Tag hatte sich der damals 14-jährige Angeklagte mit dem 15-jährigen Freund verabredet – laut Gericht mit der Absicht, dem Freund etwas anzutun. Denn, so heißt es im Urteil: Er hatte vorher die Mutter des Freundes angerufen und erklärt: „Dein Sohn wird heute sterben.“

In Panik hatte die Mutter ihren Sohn gewarnt. Der steckte sich deshalb ein Messer ein, kam jedoch nach Überzeugung des Gerichts nicht mehr dazu, es zu benutzen, weil der Angeklagte ihm sofort einen Stich in den Bauch verpasste. Das Opfer musste notoperiert werden. Aufgrund der Beweislage ist das Gericht sicher: Der Angeklagte handelte nicht in Notwehr, wie er behauptete.

Bis zu dem Tag hatte er zahlreiche Diebstähle begangen, vor allem auf Fahrräder und Roller hatte er es abgesehen. Auch diese Taten wurden nun mit verurteilt. In einem Fall fuhr der Angeklagte mit einem gestohlenen Roller und ohne Fahrerlaubnis so schnell um eine Kurve, dass er mit einem Taxi kollidierte, und einer von zwei Mittätern, die hinten drauf saßen, schwer verletzt wurde. Bei diesen Diebstählen war übrigens sein bester Freund und späteres Opfer häufig mit von der Partie.

Seine Aggressivität bekam auch ein Lehrer zu spüren: Den soll der damals 14-Jährige aus Wut über Anordnungen am Kragen gepackt und bedroht haben. Der Lehrer setzte den aggressiven Schüler außer Gefecht und zeigte ihn an. Nach seiner Verhaftung am 7. Juli wurde der damals 14-Jährige zunächst zur Vermeidung von U-Haft in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Weil er sich dort aber an keine Regeln hielt, landete er wenig später doch im Gefängnis.

Hier soll er nach dem Willen des Gerichts jetzt endlich lernen, „dass es Regeln gibt“. Denn, so Richter Kunkel: „Er braucht eine Situation, wo er ihnen nicht ausweichen kann.“ In der Familie habe er Regeln nicht kennengelernt und auch keinerlei Erziehung genossen: Sein Vater habe immer nur geprügelt. Nach der Trennung der Eltern habe er bei der Mutter gelebt, doch sobald ihm dort etwas nicht passte, sei er zum Vater oder zur Großmutter geflüchtet. Das Gericht riet dem Jugendlichen dringend, die Haftzeit zu nutzen und einen Schulabschluss zu machen.

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