Bus und Bahn in Bonn Verkehrsverbund vertagt Preiserhöhung

Bonn · Obwohl die Fahrkarten für Bus und Bahn in Bonn im Bundesvergleich überdurchschnittlich teuer sind, sollten die Preise des Verkehrsverbundes 2020 steigen. Die VRS-Geschäftsführung zog die Vorlage jedoch zurück.

Der ADAC hat die Diskussion beflügelt: Nirgendwo sind – so ergab eine Auswertung des Automobilclubs in 21 deutschen Großstädten – Einzelfahrscheine und Monatstickets teurer als im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) mit den Großstädten Köln und Bonn. Während in München für ein Monatsticket lediglich 55,20 Euro verlangt werden, müssen Kunden hierzulande 98,50 Euro bezahlen. Nur Hamburg verlangt mit 109,20 Euro noch mehr. Bei der Tageskarte ist der VRS mit 8,80 Euro gar Spitzenreiter. Und ein Einzelfahrschein kostet in Bonn mit inzwischen drei Euro 1,20 Euro mehr als in Mannheim. In Frankfurt, Hamburg und Hannover werden Fahrräder zudem nicht eigens berechnet.

Am Freitag sollte die Verbandsversammlung des VRS die nächste Preisrunde absegnen. Der Tarifbeirat hatte nach einer kontrovers geführten nicht öffentlichen Diskussion Erhöhungen von durchschnittlich jeweils 2,5 Prozent zu Beginn des nächsten und übernächsten Jahres empfohlen. 2017 waren die Preise um 1,7 Prozent gestiegen, 2018 um 1,1, 2019 um satte 3,5 Prozent. Weil man den Schwellenwert bei den Einzelfahrkarten nicht überschreiten will, sollten die Abo-Kunden ab Anfang 2020 zudem noch stärker herangezogen werden.

VRS-Geschäftsführung hat die Vorlage zurückgezogen

Kurzfristig hat die VRS-Geschäftsführung die Vorlage nun zurückgezogen. Der Unternehmensbeirat habe weiteren Beratungsbedarf, erklärte Verbands-Pressesprecher Holger Klein am Mittwoch gegenüber dem GA. Erst wenn auch dieser Beirat aus den Geschäftsführern der beteiligten Verkehrsunternehmen sich auf ein Votum geeinigt habe, könne die Verbandsversammlung entscheiden. Es könne auch sein, dass die vorgeschlagene Erhöhung nicht ausreiche.

Klein will der politischen Entscheidung der kommunalen Vertreter nicht vorgreifen. Die ADAC-Auswertung hält er hingegen für wissenschaftlich nicht haltbar und unausgewogen. „Da wurden Äpfel mit Birnen verglichen“, sagt Klein. So sei das VRS-Gebiet etwa im östlichen Rhein-Sieg-Kreis stark ländlich geprägt. Die Kunden in den Großstädten müssten mithin das dortige Angebot mitfinanzieren – anders etwa als in der Stadt Stuttgart oder in Berlin. Außerdem würden 80 Prozent der 550 Millionen VRS-Fahrgäste im Jahr mit Abos wie dem deutschlandweit einzigartigen Jobticket fahren. Die Preise für Einzelfahrscheine seien entsprechend weniger bedeutend.

Die eigentliche Kernfrage ist indessen eine andere: Welchen Anteil sollen die Nutzer von Bus und Bahn angesichts der politisch gewollten Verlagerung auf den öffentlichen Nahverkehr mit ihren Ticketkäufen aufbringen? Im VRS liegt dieser Kostendeckungsgrad nach Kleins Angabe bei rund 70 Prozent. Das ist am oberen Ende des Bundesdurchschnitts von 65 bis 70 Prozent, wie er vom Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) berechnet wurde. In Berlin dagegen tragen die Fahrgäste nur 35 Prozent der Kosten. Den Rest gibt der Stadtstaat dazu. „Auch Stuttgart schießt 42 Millionen Euro im Jahr zu, München sogar 70 Millionen, um die Ticketpreise niedrig zu halten“, erklärt Klein.

Über die Frage der kommunalen Zuschüsse bricht derzeit ein tiefer Riss durch Bonns Kommunalpolitik auf. „Keine Bürgerin und kein Bürger hat mehr dafür Verständnis, dass zwar Politik und Verwaltung für den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn werben, den bisher noch mit Verspätungen und Ausfällen belasteten Öffentlichen Personennahverkehr aber Jahr für Jahr verteuern – anders als die Parkgebühren“, sagt der Ratsherr der Grünen und VRS-Verbandsvertreter Rolf Beu. Beu sitzt auch dem Verkehrsausschuss im Bonner Stadtrat vor. Mit der Zustimmung seiner Fraktion will er gegen weitere Preissprünge stimmen.

Die SPD-Fraktion hat ebenfalls erklärt, die Preiserhöhungen nicht mittragen zu wollen. „Wer jetzt die Preise erhöht, sendet ein fatales Signal für die von allen gewünschte Verkehrswende“, sagt SPD-Ratsfrau Gabi Mayer als Vertreterin in der Verbandsversammlung. Mittelfristig sei die Bonner SPD für einen vollständig steuerfinanzierten Nahverkehr. Der Bonner Bürger Bund fordert ebenfalls ein „Ende der Preistreiberei“. Die „von ständigen Verspätungen und häufigen Kursausfällen geplagten Abo-Kunden mit der nächsten Preisrunde zu schröpfen“, sei das „völlig falsche Signal“, so Fraktionschef Marcel Schmitt. Erwartungsgemäß ist auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kategorisch gegen steigende Preise: „In Anbetracht von Klimawandel, Lead City, Staurekorden, Verspätungen und Ausfällen von Bussen und Bahnen und nicht zuletzt der Feststellung, dass der VRS bereits jetzt zu den teuersten Verkehrsverbünden Deutschlands zählt, wäre das ein völlig kontraproduktiver Schritt“, meint der Kreisvorsitzende Rainer Bohnet.

Die CDU hält an den Preiszuwächsen dagegen fest. Ratsfrau Henriette Reinsberg erklärt zwar: „Erhöhungen passen zwar eigentlich nicht in die Zeit“. Allerdings müsse dringend in eine verbesserte Taktung und Infrastruktur investiert werden. „Wir brauchen ein transparentes, zuverlässiges System“, sagt Reinsberg, die sich selbst immer wieder über Zugausfälle ärgert. Darum sei ein höherer Anteil der Kommunen an den Betriebskosten derzeit nicht möglich. Das neue E-Ticket (siehe Kasten) könne die Handhabung für die Kunden deutlich verbessern. Außerdem solle bei der Preisgestaltung darauf geachtet werden, dass Gruppen wie Familien nicht durch steigende Preise abgeschreckt und wieder ins Auto gelockt würden.

Ein Teil der Wahrheit ist auch, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen besonders wenig Unterstützung vom Land für den Nahverkehr erhalten. Zwar zahlt NRW rund 1,5 Milliarden Euro jährlich. Das Gros fließt aber in den Schienenverkehr, also die Regionalbahnen. Für ihre Busse und Bahnen erhalten die Kommunen lediglich 130 Millionen. Davon bekommt Bonn aktuell gut 4,5, der Rhein-Sieg-Kreis drei Millionen Euro.

Dazu kommt, dass die kommunalen Verkehrsbetriebe ihre Verluste im Verkehr durch EU-Vorgaben immer schlechter mit anderen Gewinnen ausgleichen können. Auch die SWB in Bonn haben das jahrzehntelang praktiziert. Und die Kommunen sind durch die Schuldenbremse aufgefordert, keine weiteren Verbindlichkeiten aufzuhäufen.

SPD und Grüne im Stadtrat setzen deshalb auf steigende Einnahmen bei der Parkraumbewirtschaftung. „In Köln hat man da schon viel erreicht“, sagt Mayer. Deutlich angehobene Gebühren für Parkplätze in der City sollten demnach in den Nahverkehr fließen.

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