GA-Serie "KinderKinder" So weckt man das Interesse für Chemie, Physik und Bio

Bonn · Vielleicht hätte es den Pisa-Schock um mangelhafte Leistungen in naturwissenschaftlichen Fächern nie gegeben, wenn Chemie, Physik und Biologie unterrichtet würden wie am Gymnasium Babenberg.

 Praktische Erfahrungen mit Elektrizität: Schüler experimentieren im Schülerlabor der TU Chemnitz.

Praktische Erfahrungen mit Elektrizität: Schüler experimentieren im Schülerlabor der TU Chemnitz.

Foto: picture alliance / dpa

An dieser Anstalt stellt sich Lehrer Bömmel „janz dumm“, wenn er die Funktionsweise der Dampfmaschine erklärt: „En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch.“ Oder Physiklehrer Crey, der seine Schüler vom Heidelbeerwein probieren lässt, um ihnen die alkoholische Gärung zu veranschaulichen – aber „jeder nor einen wenzigen Schlock“.

Die Lehrer Bömmel und Crey aus Heinrich Spoerls „Feuerzangenbowle“ erschreckten ihre Schüler jedenfalls nicht mit Formelsammlungen und mathematischen Gleichungen. Stattdessen illustrierten sie physikalische Phänomene oder chemische Prozesse mit anschaulichen Beispielen.

Oder, wie Wilfried Sommer, Professor für Schulpädagogik an der Alanus-Hochschule in Kassel, sagt: Sie machen die „Erscheinung als beglückende Erfahrung“ zugänglich. Denn darauf kommt es nach Ansicht des promovierten Physikers an, damit der Chemie-, Physik- oder Biologie-Unterricht an der Schule nicht zur Qual wird: den Schülern „immer wieder mit neuer Freude“ die Faszination natürlicher Phänomene nahezubringen.

An die Lehrer stelle diese Aufgabe „immense Anforderungen“, sagt Sommer – denen sie oft nicht gewachsen seien. Der naturwissenschaftliche Unterricht sei „oft schlecht“. Sommer spricht sich deshalb für eine spezifische Lehrerausbildung im naturwissenschaftlichen Bereich aus. Dabei experimentieren Kinder schon in jungen Jahren von selbst drauflos.

Selbst beim Bauen von Sandburgen am Strand machen sie „praktische Erfahrungen mit elementarer Physik“: der Festigkeit des Materials Sand, den Fließbedingungen des Baustoffs, oder bis zu welcher Spannweite die Brücke über dem Wassergraben trägt. „Wenn Kinder facettenreich spielen, kommen sie mit ganz vielen Naturerfahrungen in Berührung“, erklärt der Pädagogikprofessor.

Ein Verständnis für die Ursachen entwickeln Kinder allerdings erst später, etwa im Alter von zwölf. Wenn schlechte Lehrer und öder Unterricht den Schülern dann das Interesse am Stoff vergällen, wird es schwer, das Interesse an den Naturwissenschaften zu entwickeln. Denn schon zeichnen sich am Lebenshorizont die Chaosjahre der Pubertät ab, in denen Fragen von Freundschaft und Sexualität eine wichtigere Rolle spielen als die Erklärung, warum Sonnenlicht in Verbindung mit Wassertropfen einen Regenbogen erzeugen kann.

Aber nicht nur die Schule, auch die Eltern können Begeisterung für die Naturwissenschaften wecken. Schon für kleine Kinder gibt es ein breites Angebot an Erklärbüchern. Für ältere Kinder empfiehlt Alanus-Professor Sommer zum Beispiel Experimentierkästen, die Prozesse und Phänomene konkret erfahrbar machen.

Wenn Eltern die Fragen ihrer Kinder nicht beantworten können, rät Sommer zu einem gemeinsamen Blick ins Internet-Nachschlagewerk Wikipedia. „Oder rufen Sie Verwandte und Freunde an, von denen Sie wissen, dass sie in dem gefragten Bereich Bescheid wissen.“

Falschen Ehrgeiz und überzogene Erwartungen sollten Mütter und Väter dabei allerdings vermeiden und den „Eigenwillen der Kinder akzeptieren lernen“, mahnt Sommer. Und schließlich gebe es noch einen anderen wichtigen Aspekt. Alle Kinder und Jugendlichen könnten die naturwissenschaftlichen Grundlagen erlernen, meint der Pädagogikprofessor, einen guten Unterricht vorausgesetzt: „Aber wenn es um die Vertiefung geht, spielt das Talent auch eine große Rolle.“

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