Interview So sehen Taxifahrer die Verkehrsplanung in Bonn

Bonn · Claus Trautmann und Georg Avgoustis machen einen gelassenen Eindruck. Geduld und Besonnenheit können Taxifahrer auch gut gebrauchen. Und doch schütteln die Profis über manche Verkehrsplanung den Kopf.

Sind Sie zufrieden mit der Ampelschaltung in der Stadt?

Georg Avgoustis: Absurd wird's ja, wenn Sie nachts fahren. Sie stehen an einer roten Ampel – kein Querverkehr! Eine verkehrsabhängige Schaltung ist das nicht.

Wie finden Sie denn die Streckenführung in Bonn?

Avgoustis: Oh je! Ich nenne jetzt mal ein Beispiel. Wenn Sie von Bad Godesberg nach Bonn fahren. Wo können Sie da von der B 9 aus links abbiegen? Sie können am neuen großen Verteilerkreis (Helmut-Schmidt-Platz) abbiegen – und davor? Am Godesberger Bahnhof.

Der an der Ollenhauerstraße ist ja weg...

Avgoustis: Richtig. Und dann fahren Sie weiter auf die Adenauerallee. Nächste Möglichkeit ist an der Unibibliothek, und jetzt kann man am Bertha-von-Suttner-Platz links abfahren.

Wie finden Sie den neuen Linksabbieger am Belderberg?

Avgoustis: Genial! Der muss bleiben.

Und am Hauptbahnhof, die Sperrung an der Maximilianstraße?

Claus Trautmann: Das ist Chaos. Die Maximilianstraße müsste in Zukunft zumindest für Taxis befahrbar sein, und der Linksabbieger am Belderberg muss bleiben.

Avgoustis: Geplant ist ja, den Cityring zu schließen.

Trautmann: Dann kann man nur noch durch die Südunterführung. Die Straßenbahn und Busse sind dann die einzigen, die am Bahnhof durchfahren dürfen. Das wird ganz schlimm werden.

Wenn es um „Volkes Stimme“ geht, werden immer gerne Taxifahrer bemüht. Wieso eigentlich?

Georg Avgoustis: (lacht) Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass viele Taxifahrer die Wartezeit mit Lesen verbringen. Tageszeitungen lesen fast alle, und nicht nur Regenbogenblätter. Da ist man auf dem neuesten Stand.

Welche sind die unangenehmsten Fahrgäste?

Trautmann: Ach, die gibt es schon mal und das in allen Schichten. Die mit viel Geld zeigen vereinzelt gerne ihren Status und meinen, sie müssten besonders hofiert werden. Die „einfachen“ Leute können genauso mal schlechte Laune haben.

Avgoustis: Man muss zwischen Tag- und Nachtgeschäft unterscheiden. Wer fährt tagsüber Taxi? Leute, die verschlafen haben, bei denen der Wagen morgens nicht angesprungen ist. Denen muss man klarmachen, dass wir nicht mit 70 durch die Stadt fahren können, nur weil der Gast es eilig hat.

Und nachts?

Avgoustis: Je nachdem wie spät es geworden ist und wie hoch der Alkoholpegel steht...

Wie sieht es mit Übergriffen gegen Fahrer aus?

Trautmann: Das ist in Bonn in letzter Zeit häufiger passiert. Letztes Jahr war ja die Messerattacke. Da hatte ein Fahrgast aus Duisdorf am helllichten Tag einen fast tödlichen Raubüberfall auf einen Taxifahrer im Annagraben begangen. Der Kollege hat nur knapp überlebt. Gut, dass dieser Täter gefasst und verurteilt wurde.

Dieses Jahr gab es auch schon zwei Übergriffe...

Trautmann: Bei dem einen waren dem Fahrer einige Leute vor das Auto gelaufen, und der hat denen wohl so was zugerufen, wie, wenn sie betrunken seien, sollten sie doch vorsichtiger sein. Die waren zu dritt oder zu viert und sind dann massiv handgreiflich geworden.

Was ist mit Videokameras und Notschalter?

Trautmann: Videos sind nicht erlaubt.

Aus welchem Grund?

Trautmann: Datenschutz! Wir haben die Fahrzeuge aber mit Alarmanlagen ausgestattet. Und es gibt einen Taxi-Notruf, der mit dem Vermittlungsgerät verbunden ist. Bei Gefahr kann es den stillen Alarm auslösen, und jeder kann sehen, wenn einer mit blinkendem Dachzeichen fährt. Oder der Fahrer löst den akustischen Warnmelder aus: Dann hupt es, und Blinker und Scheinwerfer gehen an.

Spüren Sie die Konkurrenz von Uber?

Trautmann: Noch nicht so richtig. Der „Uber Pop“ ist ja mit Recht verboten worden.

Also das Angebot von Privatpersonen...

Trautmann: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2017 entschieden, dass Uber Verkehrsdienstleistungen erbringt und entsprechend reguliert werden muss. Damit wurde der Service rechtlich mit klassischen Taxi-Diensten gleichgestellt. Ich schätze mal, wegen der möglichen Schwarzarbeit. Da gab es keine Kontrolle mehr.

Macht Ihnen das Sorgen?

Avgoustis: Natürlich!

Trautmann: Naja, wir denken, dass das nur eine vorgeschobene Sache ist. Die Autoindustrie, die ja dahintersteckt, will den Taximarkt aufmischen.

Was ist denn mit MyTaxi?

Avgoustis: Da betreibt ein globales Unternehmen mit Millionen-Aufwand einen Verdrängungswettbewerb gegen die örtlichen Taxizentralen. Die bringen keine neuen Kunden, sondern verkaufen abgeworbene Fahrten mit unseren Autos gegen sieben Prozent Provision vom Fahrpreis an unsere Kollegen. Dabei überlassen sie allerdings das beratungsintensive Fahrgeschäft mit älteren oder kranken Menschen den Taxizentralen, weil bei denen ausschließlich Automaten die Fahrten vermitteln. Die setzten einfach auf die von uns geschaffene Infrastruktur und versuchen die Sahne abzuschöpfen, indem sie bei jedem Fahrpreis mitkassieren und das ohne jegliches Risiko.

Trautmann: MyTaxi hat in Bonn Fuß gefasst, und das macht uns große Sorgen. Unsere eigenen Kollegen werden mit vielen Versprechungen geködert und am Ende zur Kasse gebeten. Bei uns sind übrigens 314 Taxis angeschlossen.

Sind das alle Bonner Taxis?

Trautmann: Nein. Zwölf Taxis haben wir nicht aufgenommen, weil die sich nicht an unsere Satzung und Dienstvorschriften gehalten haben. Und von den 314 Taxen haben sich etwa die Hälfte an MyTaxi angeschlossen und zahlen denen eben die sieben Prozent ihres Umsatzes. MyTaxi pickt sich von unserem Kuchen die Rosinen raus.

Und das sind in der Regel die attraktiveren Fahrten?

Trautmann: Ja, klar. Das sind viele Fahrten zum Flughafen.

Aber die sieben Prozent werden beim einzelnen Taxiunternehmen abgezogen. Das kann Ihnen doch egal sein, wenn die von ihrem Umsatz einem Dritten was abgeben?

Trautmann: Nein, ganz egal kann das für uns nicht sein. Das Fahrtenaufkommen kam früher komplett in unserer Zentrale an. Wir haben ein vollautomatisches Vermittlungssystem, auch mit App-Bestellung. Dann hat MyTaxi die Hotels mit Provisionen geködert. Da können wir nicht mithalten. MyTaxi ist ja eine Tochter von Mercedes, und die haben Geld ohne Ende und können die Rabattschlachten finanzieren. Am Ende zahlt dann alles der Taxifahrer über die Provision. Wir sind dagegen in der Tarifpflicht und können solche Rabattaktionen nicht mitgehen.

Die Kölner hatten ja geklagt.

Trautmann: Und haben letztendlich verloren. Durch das Urteil des Bundesgerichtshofes sind, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen, Rabattaktionen für Fahrgäste möglich. Den erhalten sie dann über Umwege durch die App.

Es gab aber mal eine Zeit, da hat man als Taxifahrer in Bonn richtig gut verdient, oder?

Trautmann: Als ich in den 70er Jahren angefangen habe, hat man besser verdient als heute. Avgoustis: Und Sie müssen bedenken, dass das Auto, für das wir heute 30 000 Euro zahlen vor zehn Jahren 30 000 Mark gekostet hat. Das ist das Doppelte. Der Umsatz ist aber im selben Zeitraum nicht um diesen Wert gestiegen.

Wer gibt denn eigentlich das beste Trinkgeld?

Avgoustis: Gute Frage!

Warum? Gibt es das so selten?

Avgoustis: Das ist viel weniger geworden. Viele geben gar nichts. Das Geld sitzt nicht mehr so locker.Trautmann: Oder die runden auf den vollen Euro auf. Bei Kurzfahrten gibt es das größere Trinkgeld.

Wo ist der attraktivste Stellplatz in Bonn?

Avgoustis: Kommt auf den Tag an. Donnerstags am Post Tower.

Wieso das denn?

Trautmann: Weil der Donnerstag der Abreisetag für die auswärtigen Berater ist und die Wartezeiten etwas kürzer sind.

Wie lange muss ein Fahrer im Schnitt bis zum Auftrag warten?

Avgoustis: (ruft auf dem Computer die Übersicht auf) Hier können Sie das sehen. 45 Minuten, 55 Minuten. Da steht einer am Beueler Bahnhof seit 49 Minuten, und er hat immer noch keine Fahrt.

Was nervt Sie am meisten: die anderen Autofahrer, die Radfahrer oder die ewigen Staus?

Avgoustis: Alles ein bisschen. (lacht)

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