Leih-Roller der Firma TIER So schlagen sich die Bonner E-Scooter im GA-Test

Bonn · GA-Redakteur Nicolas Ottersbach hat die neuen E-Scooter der Firma TIER in Bonn getestet. Wie sich die Roller, die per App ausleihbar sind und 15 Cent pro Minute kosten, in der Bonner Innenstadt schlagen, lesen Sie hier.

Es ist ein erhabenes Gefühl, an all den Fahrradfahrern geräuschlos vorbeizuziehen. Während sich eine junge Frau die Steigung an der Bonner Kennedybrücke abmüht, zieht man auf dem E-Scooter lautlos an ihr vorbei – ohne auch nur einen Finger rühren zu müssen. Naja, nicht ganz: Der rechte Daumen bewegt einen kleinen Gashebel am Lenker. Maximal 20 Stundenkilometer sind drin, an der Kennedybrücke mit einem hundert Kilo schweren Reporter bepackt, allerdings nur 17.

Seit Samstag sind die E-Scooter der Firma TIER erhältlich, für 15 Cent pro Minute und einen Euro Grundgebühr lassen sie sich mieten. Wer eine Stunde fährt, kommt also auf insgesamt zehn Euro. In dieser Zeit schafft man es problemlos einmal durch die Stadt, von der Nordstadt bis Beuel inklusive eines Stopps und kurzem Sightseeing in der Bonner City. Für die Anfangszeit gibt es einen Spartipp: Mit dem Code „TIERBON“, den man in der App eingeben muss, erhält man 15 Freiminuten.

Anmeldung in fünf Minuten

Das Ausleihen funktioniert ähnlich wie beim Leihrad-Anbieter Nextbike, den es schon seit mehreren Monaten in der Bundesstadt gibt. In einer App hinterlegt der Nutzer seine Kreditkartendaten, über die später abgerechnet wird. Name und E-Mail-Adresse reichen für die Anmeldung aus – in fünf Minuten ist die Registrierung per Handy abgeschlossen. „Wir erheben keine Daten, die auf das Verhalten einzelner Nutzer zurückzuführen sind, sondern nur Daten, die für die Bereitstellung unseres Dienstes erforderlich sind“, so Unternehmenssprecher Nils Langhans. Dazu zählt beispielsweise der Standort. Alle anderen erfassten Daten seien anonym – in den Geschäftsbedingungen, denen man zustimmen muss, hält sich das Unternehmen offen, die Daten an Dritte weiterzuleiten.

Für einen Mann Mitte 30, der sich an der Haltestelle Bonn-West einen E-Scooter schnappen will, sorgt das Ausleihen zunächst für Verwirrung. „Irgendwie will der Roller nicht losfahren“, sagt er. Bis er bemerkt, dass er sich das falsche Gerät geschnappt hat. „In der App konnte ich das nicht so gut erkennen, sie stehen eng nebeneinander“, erklärt er seinen Fehlgriff. Es soll in die Altstadt gehen – mit einer Einkaufstüte am Lenker. Auf den ersten Metern bewegt er sich etwas unbeholfen und schwankt hin und her, dann aber wird die Fahrt sicher.

Das beschreibt das Fahrgefühl ganz gut. Die erste Frage, die man sich stellt: Wohin mit den Füßen? Längs hintereinander passen sie nicht auf das Trittbrett. Also muss ein Fuß quer stehen oder wandert auf die Ablage über dem Hinterrad. Dort ist – anders als bei vielen Tretrollern – keine Bremse. Stattdessen sind am Lenker zwei mechanische Bremshebel montiert, zusätzlich bremst der Elektromotor mit.

Da die Reifen sehr klein sind, ist der Komfort nicht mit dem Fahrrad vergleichbar. Trotz kleiner Federung überträgt sich jede Unebenheit auf den E-Scooter. Auf den Bonner Radwegen, die oft über die reguläre Straße führen, gilt es deshalb, Schlaglöcher möglichst zu umfahren. Schwierig wird das allerdings auf dem Kopfsteinpflaster des Münsterplatzes. Alles rappelt, alles klappert. Spätestens jetzt wird es unmöglich, Handzeichen beim Abbiegen zu geben. Deshalb ist es ratsam, einen Helm zu tragen, auch wenn er (noch) nicht Pflicht ist.

Trotzdem: Die E-Scooter machen Spaß. Das Balancieren, sich den Wind um die Nase wehen lassen, das zügige Anfahren. Ein bisschen ist es wie Kickrollerfahren, das vor Jahren mal im Trend war. Der Lenkradius und damit der Wendekreis sind diesmal aber begrenzt, was waghalsige Fahrmanöver zumindest schwieriger macht. Zudem schaltet sich der Elektromotor erst zu, wenn der Roller bereits per Fußanstoßen Fahrt aufgenommen hat. So lässt sich auch die Geschwindigkeitsbegrenzung umgehen: Wer ordentlich nachhilft, schafft es bei Gefälle auch auf 30 Stundenkilometer – aber nur, wenn man den Daumen vom Gas lässt. Im fließenden Stadtverkehr sind 20 Stundenkilometer nämlich recht wenig, Radler überholen problemlos. In der Fußgängerzone ist dieses Tempo völlig ausreichend, sofern es per Sonderzeichen erlaubt ist, dort zu fahren. Ohnehin ist dann nur Schritttempo erlaubt.

Was man darf und was nicht, erläutert ein Polizist, der die Fahrt durch die Sternstraße abrupt mit einem „Haaalt!“ beendet. „Diese Strecke ist um diese Uhrzeit tabu für Radfahrer und damit auch für E-Scooter“, sagt er mahnend. Es seien einfach zu viele Fußgänger unterwegs, das Fahren deshalb gefährlich. Eine Strafe gibt es nicht. Aber er besteht darauf, dass bis zum Ende der Sternstraße geschoben wird.

Zurecht. Es ist schon schwierig, sich durch die Passanten der Friedrichstraße, wo das Fahren erlaubt und weniger Publikumsverkehr ist, zu manövrieren. Die drei Bremsen versprechen zwar ein schnelles Halten (bei dem man sich leicht nach hinten lehnen sollte). Übersieht man aber einen Menschen und kollidiert mit ihm, kann es schnell zu Verletzungen kommen.

E-Scooter sind ein Hingucker

Apropos Publikumsverkehr: Wer mit einem E-Scooter in Bonn unterwegs ist, muss damit rechnen, ständig angesprochen zu werden. Ein Radfahrer fordert auf der Kennedybrücke ein Rennen – das der E-Scooter verliert, dessen Fahrer aber nicht ins Schwitzen kommt. Ein Motorradfahrer fragt im Vorbeifahren, wie „die neuen Roller so sind“. Und eine ältere Dame in der Friedrichstraße ist von dem mintgrünen Gefährt derart angetan, dass sie am liebsten direkt selbst aufsteigen will. „Aber das traue ich mir nicht zu, dafür brauche ich Übung und richtige Schuhe, keine Sandalen“, sagt sie. Dieses Interesse der Bonner bestätigt auch TIER. „Wir erhalten enorm viel positive Resonanz von unseren Nutzern“, sagt Langhans. In den Trends der App-Stores steht die TIER-App weit oben.

Abgestellt werden die E-Scooter am Straßenrand, allerdings nur in den erlaubten Arealen, wozu in Bonn die Grenze der Umweltzone zählt. Darauf hat sich das Unternehmen mit der Bonner Stadtverwaltung und den Stadtwerken geeinigt, „um zu vermeiden, dass bestimmte Bereiche mit Rollern zugestellt werden“, wie SWB-Sprecher Werner Schui erläutert. Jeden Abend werden die E-Scooter eingesammelt, gewartet und aufgeladen. Innerhalb einer Stunde Fahrt durch die Stadt wurden etwa 40 Prozent des Akkus aufgebraucht.

In allen sieben deutschen Städten – gestartet ist TIER unter anderem in Köln, Düsseldorf und Berlin – will das Unternehmen das Geschäft in den kommenden Wochen ausbauen. Genaue Zahlen will Langhans nicht nennen. „Zudem werden wir unser Angebot in weitere Städte bringen“, sagt er.

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