30 Drogendealer im Visier So lief die Razzia der Polizei in Tannenbusch ab

Bonn · Die Polizei hat am Dienstagmorgen eine groß angelegte Razzia in Bonn und der Region durchgeführt. 23 Personen wurden festgenommen, mehrere zehntausend Euro Bargeld sichergestellt.

Der Überraschungsmoment ist auf Seiten der Ermittler: Als sich um 6 Uhr der Polizeihubschrauber über den Häusern senkt, schläft halb Tannenbusch noch. Zeitgleich fahren Dutzende Mannschaftstransporter und Fahrzeuge mit Beamten in Zivil in den verwinkelten Anliegerstraßen vor. Maskierte Polizisten springen aus den Autos und stürmen in die Häuserblöcke. Sie halten ihre Waffen, Fesseln und Rammböcke in den Händen. „Aufmachen, Polizei!“ Wird die Tür nicht augenblicklich geöffnet, wird sie mit der Ramme aus den Angeln geschlagen.

Mehr als 30 mutmaßliche Drogendealer

Zum bisher größte Schlag gegen die Drogenkriminalität in Bonn holt die Polizei am Dienstagmorgen aus. Ermittler hatten sich in das Drogenmilieu eingeschleust, beobachteten die Umschlagplätze, werteten bisherige Fahndungen und Festnahmen aus.

Als der Großeinsatz endlich losgeht, ist der Stolz in der Stimme von Polizeisprecher Robert Scholten deutlich zu hören. „Für diesen Erfolg haben wir mehrere Monate ermittelt“, erklärt er. Die Bilanz der groß angelegten Durchsuchungsaktion mit rund 300 Polizisten: 23 Festnahmen, 60.000 Euro Bargeld, ein Kilogramm Marihuana, 75 Gramm Kokain, mehrere Flaschen Anabolika.

Zwei 25 und 31 Jahre alte Brüder mit marokkanischen Wurzeln gelten als Hauptverdächtige. Sie hatten ein komplexes Verkaufssystem aufgebaut („Ausgeklügeltes System“). „Das schafft man in dieser Form nicht, ohne gut vernetzt zu sein“, sagt Scholten. Sie wuchsen in Tannenbusch auf, kennen jede Gasse und hatten das Vertrauen ihrer Komplizen. Polizeilich waren sie bisher durch Betäubungsmittel- und Gewaltdelikte aufgefallen. Der Jüngere verbüßt derzeit eine Bewährungsstrafe. Auch bei den Anwohnern waren sie bekannt. „Wir haben hier Angst um unsere Kinder, weil niemand etwas dagegen macht“, erzählen drei Väter, die in der Nachbarschaft wohnen. Bisher hinderte die Brüder nichts am Geschäft, das sie offenbar hauptsächlich mit Kokain betrieben. Beide konnten davon offensichtlich gut leben – ehrlicher Arbeit gingen sie nicht nach.

Ermittlungen nicht abgeschlossen

Die gute Vernetzung der Bande stellte die Polizei auch am Dienstag vor Herausforderungen. Die Beamten mussten so unauffällig und trotzdem so schnell wie möglich anfahren, um die Verdächtigen festzusetzen. Während ein Hubschrauber aus der Luft das Geschehen überwachte, waren am Boden neben Bonner Polizisten auch die Bereitschaftspolizei und Spürhunde im Einsatz. Nach zwei Stunden rückten die meisten Einsatzkräfte wieder ab, die sich auf dem Parkplatz am Tannenbusch-Center gesammelt hatten. Doch noch bis in den Nachmittag wurden Beweise gesichert und vereinzelt Räume durchsucht.

Für die Polizei war die Razzia gewissermaßen das letzte Mittel. „Vergangene, kleinere Aktionen haben gezeigt, dass schon wenig später die nächsten Dealer nachkamen“, sagt Scholten. Diesmal habe man allerdings „tiefer geschürft“. So tief, dass das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft schon vor der Razzia Haftbefehle erlassen hatte. Die Chancen auf harte Gerichtsurteile stehen laut Scholten gut. Denn in den Vorwürfen geht es nicht nur um einfachen Drogenhandel, sondern bandenmäßige Kriminalität.

Die Ermittlungen seien aber nicht abgeschlossen. Stetig bekomme man Hinweise auf weitere Personenkreise, die in die Geschäfte verwickelt seien. Man erhofft sich, dass die Wirkung der Festnahmen nachhaltig ist. Die Polizei geht davon aus, dass sie auch in ganz Bonn die Drogenkriminalität zurückdrängen werden. „Wir können aber derzeit nicht genau bemessen, welchen Umfang die Verteilstruktur hatte“, sagt Scholten.

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