Unruhen in der Türkei Professoren in Bonn müssen zurück

Bonn · Die politische Entwicklung in der Türkei hat auch Auswirkungen auf das Leben von Türken in Bonn. Abrupt abbrechen musste zum Beispiel ein türkischer Wissenschaftler seine Gastprofessur an der Bonner Universität.

Nach dem Freitagsgebet unterhalten sich die Gläubigen noch vor der Moschee an der Viktoriabrücke.

Nach dem Freitagsgebet unterhalten sich die Gläubigen noch vor der Moschee an der Viktoriabrücke.

Foto: Richard Bongartz

Er sei umgehend in die Türkei abgereist, nachdem er von seiner Universität die Aufforderung zur Heimreise erhalten habe, sagte Uni-Sprecher Andreas Archut am Freitag. Tags zuvor hatten die Hochschulrektorenkonferenz und der Deutsche Akademische Austauschdienst scharf kritisiert, dass türkische Universitäten in Deutschland lehrende türkische Gastwissenschaftler zur sofortigen Heimreise aufgefordert hätten.

„Wir haben eine Handvoll türkischer Gastwissenschaftler an unserer Universität. Davon ist nach meiner Kenntnis bisher nur einer abgereist“, sagte Archut. Den Grund für die Aufforderung zur Heimreise kenne er nicht. Keiner der betroffenen Wissenschaftler wolle sich öffentlich dazu äußern. Von den rund 300 an der Bonner Uni immatrikulierten türkischen Studenten seien zwei ebenfalls zur Heimreise aufgefordert worden.

Die türkischen Studierenden stellten nach den Chinesen die zweitgrößte Landsmannschaft der internationalen Studierenden. Viele dieser Türken seien jedoch „Bildungsinländer“, das bedeute, sie sind in Deutschland aufgewachsen und haben hier ihr Abitur gemacht. Die Uni habe zwar keine Partnerschaftsabkommen mit türkischen Universitäten, es gebe jedoch eine ganze Reihe gemeinsamer bilateraler Kontakte in einzelnen Fächern und Fakultäten.

„Wir pflegen seit vielen Jahren enge Kontakte zu türkischen Wissenschaftlern und Studierenden. Die massive Verletzung der Autonomie der türkischen Hochschulen sehen wir mit großer Sorge“, sagte Uni-Rektor Michael Hoch. Das sieht die Hochschule Bonn/Rhein-Sieg ganz ähnlich: Sie verurteilt die Maßnahmen aufs Schärfste und sichert ihrer türkischen Partnerschule, der Universität Istanbul, Solidarität und Unterstützung zu.

Aktuelle Rückmeldungen vor dort hätten bestätigt, „dass Wissenschaftler von auswärtigen Aufenthalten zurückgerufen wurden und über ihre weitere Zukunft im Unklaren sind“, sagte Hochschulsprecherin Eva Tritschler. Im Sommersemester 2016 seien insgesamt 115 Studenten mit türkischer Staatsangehörigkeit eingeschrieben. Ob jemand die Heimreise antreten muss, sei nicht bekannt.

Die Sorgen sind sicher nicht grundlos, weiß Hidir Celik. Der Leiter der Evangelischen Beratungsstelle für Migration und Flüchlingsarbeit stammt aus der Türkei und besitzt sei 1999 die deutsche Staatsbürgerschaft. Der promovierte Politikwissenschaftler unterhält ein großes Netzwerk, auch zu vielen Kollegen an türkischen Universitäten, wo er schon oft selbst Gastvorlesungen gehalten habe.

„Es herrschen Angst und Sorgen unter den oppositionellen Akademikern in der Türkei, aber auch hier bei uns“, weiß Celik. Die meisten verhielten sich abwartend, wollten sich vorerst nicht offiziell äußern. Für Celik hat sich diese Entwicklung schon länger abgezeichnet. So habe die ehemals offene und am interreligiösen Dialog interessierte Ditib-Moscheegemeinde sich in den vergangenen Jahren immer mehr zurückgezogen. „Unsere Einladungen wurden seither nicht mehr erwidert“, bedauert er.

In der Ditib-Moschee am Hochstadenring – Organ der türkischen Regierung – fühlen sich viele Mitglieder von der Mehrheitsgesellschaft, vor allem von den Medien unverstanden. Von verzerrter Berichterstattung ist die Rede. „Die Menschen brodeln innerlich“, sagt Mehmet Aksa. Er ist immer noch empört, dass die westeuropäischen Staaten vor den ersten Stellungnahmen zunächst den Putschverlauf abwarteten.

„Wir Muslime haben das Gefühl, man hätte sich über einen gelungenen Putsch gefreut. Es scheint mir dabei oft vergessen zu werden, dass Erdogan ein demokratisch gewählter Präsident ist.“ Und wenn das Volk ihn nicht mehr wolle, werde es ihn bei der nächsten Wahl abwählen. Es drehe sich in den Nachrichten alles um die Person Erdogan, dabei stünde nicht er, sondern der türkische Staat im Vordergrund.

Für Ekrem Kavakle gilt ebenso, Volkes Stimme zu akzeptieren: „Es wollte diesen Putsch nicht.“ Für die Gemeinde wollen die beiden aber nicht sprechen, nur für sich. Ditib vertrete grundsätzlich keine politische Haltung. Im Übrigen fänden keine politischen Gespräche in der Moschee statt. Religion und Politik würden strikt voneinander getrennt. Und dann gehen sie zum Freitagsgebet. Der auf vier Jahre gewählte Imam wird ihnen erhalten bleiben. „In unserer Gemeinde“, sagt Kavakle, „wird sich nichts ändern“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort