Nach Angriffen in Bonn Polizisten belasten Walid S. vor Gericht schwer

BONN · Der polizeibekannte Walid S. muss sich wegen versuchten Totschlags vor Gericht in Bonn verantworten. Am Donnerstag belasteten zwei Polizisten den 23-Jährigen durch ihre Aussagen schwer.

Als Walid S. den Gerichtssaal am Donnerstagmorgen in Handschellen betritt, ist sein Kopf gesenkt, der Blick starr auf den Boden gerichtet. Seine Kiefer sind angespannt, unablässig kaut er Kaugummi, während ein Justizvollzugsbeamter ihn zu seinem Sitzplatz führt. Doch diese Körperhaltung als Zeichen der Aufregung oder Unruhe zu werten, wäre vermutlich falsch. Vielmehr scheinen aus dem Blick des 23-Jährigen andere Eigenschaften zu sprechen: Trotz, Arroganz, Langeweile – und Teilnahmslosigkeit. Mitunter wirkt es beinahe, als würde ihn das, was sich dort am ersten Prozesstag vor dem Bonner Schwurgericht abspielt, nicht betreffen. Etwa dann, wenn er auf seinem Stuhl vor- und zurückwippt. Wenn er abwesend mit seinem Mikro spielt. Oder wenn er sämtliche Anwesenden, darunter Niklas Pöhlers Mutter Denise, immer und immer wieder mit leerem Ausdruck in den Augen fixiert. Einzig, als die Staatsanwaltschaft mehrere Minuten lang die Anklageschrift verliest, hält er inne und richtet die Aufmerksamkeit auf die hölzerne Tischplatte vor sich.

Am 10. Februar soll der polizeibekannte 23-Jährige, der in Mehlem wohnt, in eine Schlägerei in der Bonner Innenstadt verwickelt gewesen sein. Er soll einen wehrlos am Boden liegenden 26-Jährigen mit Fußtritten massiv attackiert und „dessen Tod billigend in Kauf genommen“ haben. Das Opfer erlitt nach Auskunft der behandelnden Ärztin eine Gehirnerschütterung und mehrere Brüche an Oberkiefer und Jochbein. Außerdem wird Walid S. ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand, Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Die Attacke auf die Polizisten am 12. Januar war am Donnerstag jedoch noch kein Thema.

In der anderen Sache belasteten ihn am ersten Prozesstag zwei Polizeibeamte schwer. „Eine tumultartige Situation“ habe sich ihnen gezeigt, als sie auf einer Streifenfahrt an der Rathausgasse vorbeigekommen seien, beschrieb ein 27-jähriger Beamter. Das Opfer habe am Boden gelegen, „und war nicht mehr in der Lage, sich zu wehren“, sagte sein 28-jähriger Kollege. Walid S. habe den Mann mindestens zweimal getreten – ob er den 26-Jährigen am Kopf oder am Oberkörper getroffen hat, konnten beide Beamten nicht mit Sicherheit sagen. Wie fest der Angeklagte zugetreten habe, wollte das Gericht um den Vorsitzenden Josef Janßen wissen. „Das Ausholen war deutlich zu sehen“, beschrieb der 28-Jährige. Walid S. habe dabei „eine enorme Verletzung, wenn nicht noch mehr in Kauf genommen“.

Weniger konkrete Aussagen konnten die Zeugen machen, die in die Auseinandersetzung involviert waren. So äußerte der 26-Jährige, dass er keine Erinnerung an den Konflikt habe, wohl weil er ab 18 Uhr Alkohol konsumiert hatte. Gegen 23 Uhr habe man sich in einen Club nahe dem Hauptbahnhof aufgemacht. Diesen habe er Stunden später verlassen, um zu rauchen. Danach habe seine Erinnerung erst wieder eingesetzt, als er sich schon im Krankenhaus befunden habe.

Walid S. sitzt seit 15. Februar in U-Haft

Auch seine Freunde gaben an, sich nicht mehr genau zu erinnern. Beide wurden laut Aussage ebenfalls von Walid S.' Begleitern attackiert, einer ging dabei zu Boden und verlor das Bewusstsein. Der andere lief davon, um Hilfe zu holen. Er konnte erklären, was den Streit ausgelöst hatte: „Es ging darum, wie man auf einem Gehweg läuft.“ Die Gruppen waren sich begegnet, als sie ein Baugerüst passierten. In dessen Umfeld sei es zu einer Rempelei, einem Wortgefecht und der Schlägerei gekommen.

Walid S., der seit dem 15. Februar wegen Wiederholungsgefahr in U-Haft sitzt, ließ über seinen Anwalt mitteilen, dass er die Vorwürfe mit Einschränkungen einräume. So habe er zu keinem Zeitpunkt den Tod des 26-Jährigen billigend in Kauf genommen. Wie der Mann zu Boden gegangen sei, wisse er nicht. Er habe zweimal zugetreten – einmal gegen den Kopf, einmal gegen den Oberkörper. Vor der Tat hatte er nach eigenen Angaben eine Flasche Wodka getrunken sowie ein Gramm Marihuana konsumiert. Er sei sich bewusst, dass er Mist gebaut habe. Sein Anwalt Martin Kretschmer erwartet, „dass es zu einer Freiheitsstrafe kommen wird“. Ebenso betonte er in einer Pause, dass sein Mandant „an sich und seiner Neigung, Konflikte mit Gewalt zu lösen“ arbeiten müsse.

1995 in Italien geboren, kam Walid S. mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder 2013 nach Bonn, nachdem die Eltern sich 2012 getrennt hatten. Die Ehe der Eltern, die marokkanische Wurzeln haben, war arrangiert, der Mann misshandelte die Frau massiv. Auch vor den Kindern machte er nicht Halt. Walid S. blieb wegen der sichtbaren Blessuren der Schule fern. Er spricht fünf Sprachen und macht eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker, die derzeit ruht.

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