Salafisten in Bonn Missionierung auf Straßen und Plätzen

Bonn · Experten beobachten mit Sorge die Zunahme der salafistischen Street-Dawa. Die bekannteste dieser politisch-missionarischen Salafisten-Gruppen ist „Die Wahre Religion“, die seit rund zehn Jahren von Bonn und Köln aus Mitglieder für die Salafistenszene rekrutiert und durch ihre Koranverteilaktion „Lies“ bekannt ist.

Beobachter der Salafistenszene registrieren eine Zunahme von Gruppen des politisch-missionarischen Spektrums. Übereinstimmend sprechen der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz und die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke aus Berlin davon, dass solche Gruppen „wie Pilze aus dem Boden schießen“.

Die bekannteste dieser politisch-missionarischen Salafisten-Gruppe ist die als verfassungsfeindlich eingestufte Gruppierung „Die Wahre Religion“, die seit rund zehn Jahren von Bonn und Köln aus Mitglieder für die Salafistenszene rekrutiert und durch ihre in Fußgängerzonen durchgeführte Koranverteilaktion „Lies“ bekannt ist.

„Auch wenn sich die Protagonisten der “Wahren Religion„ öffentlich unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit äußern“, wie es Jörg Rademacher, Pressesprecher des NRW-Verfassungsschutzes sagte, berichten Insider seit Jahren von einer Verquickung der „Wahren Religion“ mit dem militanten Dschihadistenmilieu.

So hatte Denis Cuspert, einer der bekanntesten „Gotteskrieger“ aus dem deutschsprachigen Raum, nachweislich engste Kontakte zu der Bonner Gruppe. 2012 tauchte Cuspert unter und reiste nach Syrien in den Bürgerkrieg aus.

Seit geraumer Zeit verzeichnet die sogenannte „Dawa“-Szene, sprich Missionierungs-Szene, Zuwachs. Neue Gruppen nennen sich „Jesus im Islam“, „Dawa-Experten“ oder „Siegel der Propheten“.

Letztgenannte Gruppe hat Sicherheitsbehörden zufolge ihren Schwerpunkt in Düsseldorf, verteilt aber auch regelmäßig Korane auf dem Theaterplatz oder am Michaelshof in Bad Godesberg.„Die „Wahre Religion“ indes hat sich auf die Bonner Innenstadt und Tannenbusch konzentriert.

Offenbar gibt es keine gesetzlichen Möglichkeiten zur Untersagung der strittigen Stände. „Nach unseren Erkenntnissen gibt es keine juristische Handhabe, solche Stände zu verbieten, wir werden den Sachverhalt aber noch einmal vertieft prüfen“, teilte Stadtsprecherin Monika Hörig dem GA auf Anfrage mit.

Unterstützer der “Siegel„-Gruppe kommen aus Bonn

Laut Verfassungsschutz kennen sich die Akteure der Gruppen untereinander, in Polizeikreisen wird diese Information bestätigt: „Einzelne Unterstützer der “Siegel„-Gruppe kommen aus Bonn und unterstützen auch die Aktionen der “Wahren Religion„.“

Warum die salafistischen Missionare nicht alle unter einem „Label“ agieren, erklärt sich Claudia Dantschke unter anderem mit Profilierungsstreben. Zudem spezialisiert sich die Missionierung auf deutschen Straßen. „Eine Gruppe wie “Jesus im Islam„ richtet sich mutmaßlich an Menschen, die vom Christentum zum Islam konvertieren könnten“, so Rademacher.

Ziel der „Street-Dawa“, der Straßenmission, sei es, in Ergänzung zu Internetauftritten, Zielgruppen persönlich anzusprechen, heißt es beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass in NRW Akteure im dreistelligen Bereich an der „Street-Dawa“ beteiligt sind. Insgesamt habe die Salafistenszene NRW-weit etwa 2500 Mitglieder, allein in Bonn sollen es mehr als 200 sein.

Auch in den Videos der „Siegel der Propheten“ findet sich die bekannte propagandistische Schwarz-Weiß-Malerei. Hauptakteur Erol Selmani, ein gebürtiger Mazedonier, postet zudem Filme seiner „Street-Dawa“ im Internet, die belegen sollen, wie feindlich die Gesellschaft gegenüber den „friedliebenden Muslimen“ sei.

"Das einzige Ziel, das die Deutschen haben, ist ein schönes Leben mit Alkohol und Drogen“

So werden Kritiker, die an Infoständen ausfallend werden, später im Internet regelrecht vorgeführt. In einem anderen Video empfiehlt er zwei 17 Jahre alten Flüchtlingen aus Syrien: „Haltet euch von dieser Gesellschaft fern. Die hier wollen euch kaputtmachen. Das einzige Ziel, das die Deutschen haben, ist ein schönes Leben mit Alkohol und Drogen.“

Dass die Gruppe „Siegel der Propheten“ als Wolf im Schafspelz daherkommt, darauf deuten auch weitere Videos hin. So wirbt der in Untersuchungshaft sitzende Salafisten-Prediger Sven Lau um finanzielle Unterstützung für diese Gruppe und ist im Internet auch dabei zu sehen, wie er selbst vor seiner Festnahme Korane an Passanten auf der Straße verteilt hat.

Lau, dem die Bundesanwaltschaft vorwirft, den Dschihad in Syrien unterstützt zu haben, ruft in dem Video dazu auf, „aktiv zu werden. Denn noch sind wir nicht im Paradies“, sagt er und folgt damit einer typischen Argumentation der Salafisten: das Leben auf Erden „als Prüfungsstätte“ (Lau) für die Zeit nach dem Tod.

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