WCCB-Skandal Klagt die Stadt Bonn gegen Dieckmann?

Bonn · In den nächsten Wochen entscheidet der Rat über einen möglichen Schadensersatz-Prozess gegen die Ex-Oberbürgermeisterin. Eine Stellungnahme städtischer Anwälte trübt die Erfolgsaussichten.

Am 28. Februar 2018 geht es um viel für die frühere Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD). Das ist der Termin, an dem die 1. Zivilkammer des Landgerichts ihre Entscheidung im Schadensersatzprozess der Stadt gegen den WCCB-Investor Man-Ki Kim und dessen Rechtsberater Ha-S. C. verkünden will. Auf dieser Grundlage soll der Stadtrat entscheiden, ob auch Dieckmann oder der ehemalige Stadtdirektor Arno Hübner (CDU) auf Schadensersatz verklagt werden sollen. Eine Stellungnahme der Anwaltskanzlei, die von der Stadt für die Nachwehen des WCCB-Skandals engagiert worden ist, erweckt allerdings schon jetzt den Eindruck, dass eine solche Klage nur geringe Erfolgsaussichten haben würde.

Dieckmann hatte im Dezember – erst auf Druck des Gerichtes – als Zeugin vor der Kammer ausgesagt. Die Richter wollten klären, was die langjährige Verwaltungschefin vor der entscheidenden Ratssitzung am 14. Dezember 2005 über Kims angebliche Verbindung zum Autokonzern Hyundai wusste und ob sie darauf vertraut habe, dass Kims Firma die 40 Millionen Euro Eigenkapital für das Kongresszentrum aufbringen konnte. Dieckmann betonte in der Vernehmung, dass die Sparkasse Köln-Bonn die Bonität überprüft habe. Sie selbst habe keine Zweifel an Kims Finanzkraft gehegt. Den Zusammenhang mit dem Autobauer hätten er und C. suggeriert.

Anwälte verteidigen die umstrittene Bürgschaft

Die Stadtverwaltung will das Urteil am 28. Februar abwarten und dem Rat, sobald die Urteilsbegründung vorliegt, einen „Vorschlag unterbreiten, ob, und wenn ja, gegen wen die Stadt noch Ansprüche geltend machen kann und soll“, erklärt Sprecherin Monika Hörig. Zur Vorbereitung stehe die Kommune „in dauerndem Austausch mit ihren Prozessvertretern“.

Damit ist die Bonner Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs gemeint. Die hat für die 1. Zivilkammer im Kim-Prozess am 27. September 2017 jedoch eine Stellungnahme verfasst, die eine Kernbotschaft hat: Die Stadtverwaltung unter Dieckmanns Führung habe 2005 nichts falsch gemacht. Sie habe den Rat vor der Sitzung „stets ordnungsgemäß auf Basis ihres Kenntnisstandes“ informiert.

Zum Beweis führt die Kanzlei auch die Bezirksregierung Köln unter Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) ins Feld, die ein Disziplinarverfahren gegen die Ex-Oberbürgermeisterin vor Jahren abgelehnt hatte. Die Aufsichtsbehörde, so die Anwälte, konnte „nach Auswertung der Unterlagen nicht feststellen, dass Frau Dieckmann den Rat nicht über alle ihr bekannten wichtigen Angelegenheiten bezüglich des Projekts unterrichtet hat.“ Das aber bestreiten nicht nur damalige Ratsmitglieder, sondern es steht im krassen Gegensatz zu den dokumentierten Erkenntnissen des unabhängigen Rechnungsprüfungsamtes (RPA) der Stadt.

Weiter betonen Redeker, Sellner, Dahs: Pflichtverletzungen der Kommune seien „im Zusammenhang mit Abschluss des Projektvertrages oder der Nebenabrede nicht belegt“. Kein Projektverantwortlicher sei strafrechtlich verurteilt worden. Ein Ermittlungsverfahren gegen Dieckmann stellte die Staatsanwaltschaft frühzeitig ein; die Verfahren gegen die WCCB-Beauftragten Arno Hübner und Eva-Maria Zwiebler wegen Untreue und Bestechlichkeit wurden gegen Geldauflagen eingestellt.

Auch die als „Nebenabrede“ dargestellte Bürgschaft für den 74-Millionen-Euro-Kredit an Kims Firma – die Bonn am Ende so teuer zu stehen kam – verteidigen die Stadt-Anwälte in ihrer Stellungnahme. Der Rat habe sie 2005 als „sehr allgemein formulierte und weitgehende Ermächtigung zum Abschluss einer Abrede mit der Sparkasse“ beschlossen. Was die Kanzlei nicht schreibt: Die Verwaltung ging 2007 weit über den Ratsbeschluss hinaus und bürdete dem Steuerzahler damit sämtliche Risiken auf.

„Die Nebenabrede hätte u.E. wegen fehlender Ermächtigung durch den Rat nicht unterzeichnet werden dürfen“, urteilte das RPA. Denn: Als Hübner und der damalige Kämmerer Ludger Sander die Vereinbarung mit der Sparkasse 2007 unterschrieben, stand das entscheidende Wort „Multifunktionskredit“ im Text. Damit, so Gutachter Professor Christian Koenig, bürgte die Stadt schon während der Bauphase für die WCCB-Millionen – und das, obwohl Hotel und Kongresszentrum nicht als Sicherheit dienen konnten, weil sie nicht fertig waren. Einige Stadtmitarbeiter hatten das auch bemerkt, wie im RPA-Bericht dokumentiert, wurden jedoch ignoriert.

Die zweite, im Frühjahr 2009 um 30 Millionen Euro erhöhte Nebenabrede floss nur zur Hälfte zur Baustelle, mit der anderen Hälfte wurde das fehlende „Eigenkapital“ abgesichert, das Kim sich bei der Sparkasse geliehen hatte. Auch das wurde dem Rat verschwiegen, weshalb die Staatsanwaltschaft gegen Dieckmann ermittelte. Laut Ratsbeschluss hätte das Risiko, ob der Investor diese Schuld zurückzahlt, aber bei der Bank liegen müssen.

„Diese Risikoverteilung ist durch die Nebenabrede 2007 zum einseitigen Nachteil der Stadt in ihr Gegenteil verkehrt worden“, formulierte Koenig. Er hatte das Gutachten 2010 im Auftrag der Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) erstellt. Die Stadt versuchte damals, die Bürgschaftszahlung an die Sparkasse mit dem Argument zu vermeiden, die Bürgschaft sei ein Verstoß gegen EU-Beihilferecht gewesen. Die Sparkasse klagte und erzielte einen Vergleich: Bonn musste 72 Millionen Euro zahlen.

Grünen-Politiker fordert, die Kanzlei zu wechseln

Folgt man der Stellungnahme von Redeker, Sellner, Dahs, ist der Stadtverwaltung trotzdem kein Fehler vorzuwerfen. Im Schadensersatzprozess gegen Kim und C. ist es für die Kommune vorteilhaft, jede Mitverantwortung für den Bauskandal zu bestreiten. Die Frage, ob damit auch eine mögliche Klage gegen Dieckmann schwieriger wird, wollte die Kanzlei jedoch nicht beantworten. Sie verwies auf das Presseamt. Auch dort gab es keine Antwort. Nach GA-Informationen soll die Kanzlei schon vor längerer Zeit in einer Stellungnahme für die Verwaltung die Chancen einer Schadensersatzforderung gegen die Ex-Oberbürgermeisterin als gering eingeschätzt haben. Dazu äußerte sich das Presseamt ebenfalls nicht.

„Diese Ausführungen des städtischen Anwalts machen mich sprachlos“, sagt Bernhard Wimmer, früherer Stadtdirektor in Köln und langjähriger Fraktionschef des Bürger Bundes Bonn. „Dass und warum die Sparkasse die Investoren nicht für kreditwürdig gehalten hat, muss Frau Dieckmann als Hauptverwaltungsbeamtin, die in den entscheidenden Gremien der Sparkasse saß, gewusst haben. Dann kann sie aber nicht alles, was sie wusste, dem Rat gesagt haben. Denn über einen solchen Bericht ist in den Niederschriften des Stadtrats nichts zu finden.“

Tom Schmidt, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, fordert die Einschaltung einer anderen, „neutralen“ Anwaltskanzlei. „Die anstehende Prüfung muss nach meiner Überzeugung die detaillierten Prüfungen des Rechnungsprüfungsamtes einbeziehen, die zum eindeutigen Ergebnis gekommen sind, dass die Nebenabrede nicht von Ratsbeschlüssen gedeckt war“, erklärt Schmidt. Er macht sich für eine Dieckmann-Klage stark.

Auch Schadensersatzforderungen gegen Hübner und andere müssten geprüft werden: Schmidt nennt auch den damaligen SGB-Chef Friedhelm Naujoks. Ein Controlling des WCCB-Projekts, „das diesen Namen verdient hätte, hat nicht stattgefunden“.

Wie viel Mitverantwortung trug die Stadt Bonn?

2013 verurteilte das Landgericht Bonn den Südkoreaner Man-Ki Kim wegen Betrugs zu sechs Jahren und sechs Monaten Haft. Wer die Urteilsbegründung liest, findet Widersprüche zur Stellungnahme der Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs in einer Frage, die nun wieder spannend wird: Wie viel Mitverantwortung trug die Stadtverwaltung am WCCB-Desaster?

Die Richter werteten damals strafmildernd für Kim, „dass die Projektverantwortlichen der Stadt Bonn für die Ratsmitglieder wichtige Informationen zurückhielten“. So gut wie kein Ratspolitiker ahnte in der Sitzung am 14. Dezember 2005, dass die Sparkasse Köln-Bonn den Kredit über 74 Millionen Euro für Kims SMI Hyundai im ersten Anlauf abgelehnt hatte. Der Vorstand hatte am 25. Oktober entschieden, dass die Risiken zu hoch, die Sicherheiten nicht ausreichend seien.

„Damit war die Bewilligung einer Finanzierung auf der Basis der Verhandlungsstands Ende Oktober 2005 gescheitert“, heißt es im Urteil. Die Sparkasse teilte der Stadt mit, dass sie den Kredit nur bei einer Bürgschaft durch die Kommune gewähren werde. Nachdem die Stadtspitze Zustimmung signalisiert hatte, segnete der Sparkassen-Vorstand die Finanzierungszusage am 2. November 2005 ab.

Welche Rolle Bärbel Dieckmann bei den Absprachen mit der Sparkasse spielte, ist bisher nicht aktenkundig. „Es gab ein Gespräch zwischen dem WCCB-Projektleiter, OB Bärbel Dieckmann und Sparkassenchef Gustav Adolf Schröder“, stellte der Vorsitzende Richter im Kim-Strafprozess fest. „Weitere Erkenntnisse hat das Gericht nicht.“ Dieckmann selbst sagte dagegen kürzlich als Zeugin vor der Zivilkammer aus, sie sei bei solchen Verhandlungen nicht dabei gewesen. Und bekräftigte auf Nachfrage des Gerichts: „Ich bleibe bei meiner Aussage, dass ich an diesem Gespräch nicht teilgenommen habe.“ Hübner bestätigt das.

Die Details des Darlehens und der Bürgschaft können Dieckmann allerdings nicht entgangen sein: An der Sitzung des Kreditausschusses der Sparkasse, der ebenfalls zustimmen musste, nahm sie definitiv teil. Der Deal war: Falls Kims Firma pleite gehen sollte, hatte die Stadt zehn Jahre die Zinsen zu tragen und danach selbst mit der Tilgung des Kredits zu beginnen.

Allerdings konnten die Ratsmitglieder das in den Beschlussvorlagen, die ihnen die Verwaltung präsentierte, kaum erkennen. Am 28. November bemängelte der Leiter des Rechtsamtes bei der internen Abstimmung der Formulierungen zur „Nebenabrede“: In dem Text werde auf die Risiken der Stadt „in rechtlicher, aber vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht ausreichend hingewiesen“. An der folgenden Besprechung am selben Tag nahm er nicht teil.

Dort verständigten sich laut Urteilsbegründung die Projektbeauftragten Hübner und Zwiebler, Kämmerer Sander und zwei weitere Führungskräfte auf eine Endfassung, in der die Kreditsumme von 74 Millionen nirgends auftauchte – und auch das Wörtchen „Bürgschaft“ nicht. Die Vorlagen sollten „allein die Zinszahlungsverpflichtung, nicht aber die Darlehensübernahme insgesamt angeben“, schrieb die Strafkammer. Und weiter: „Insgesamt setzten sich Hübner und Zwiebler mit ihren Positionen durch, weil sie jedwede Kritik und Zeitverzögerung . . . insbesondere eine vertiefte Diskussion der Nebenabrede durch die Ratsmitglieder vermeiden wollten.“ Und genau so kam es denn auch.

Dabei hätten in der Stadtverwaltung schon sieben Wochen vor dem Ratsbeschluss die Alarmglocken schrillen müssen. Am 24. Oktober warnte ein nicht zum Zug gekommener Investor den WCCB-Projektleiter Arno Hübner schriftlich vor Kims angeblich so potenter und erfahrenen Firma: Sie sei keineswegs dem leistungsfähigen Hyundai-Konzern zuzurechnen, bisher nicht in Erscheinung getreten und habe auch keineswegs die bauliche Kompetenz für das Großprojekt.Doch dieser – völlig korrekte – Hinweis bremste die Verantwortlichen in der Stadt ebenso wenig wie Kims merkwürdige Firmenunterlagen: Die erst am 15. Dezember 2004 gegründete SMI Hyundai sollte im selben Jahr, also binnen zwei Wochen, angeblich 78 Millionen Euro Umsatz und 5,6 Millionen Gewinn erzielt haben. Das wäre, wenn es denn gestimmt hätte, weltrekordverdächtig gewesen. Hübner behauptet auf GA-Nachfrage, er könne sich an den Brief nicht erinnern.

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