Kirschblüte in Bonn Kirschen waren nur zweite Wahl

Bonn · Die Bonner Stadtplanerin Brigitte Denkel führt Gruppen während der Kirschblüte durch die Altstadt. Sie erinnert sich noch, dass als Alleebäume Weißdorn vorgesehen war. Allerdings gab es Lieferprobleme. Ein glücklicher Zufall.

Eine Gruppe Japaner hat sich gerade mitten in der Heerstraße für ein Selfie postiert; aus einem Cabrio heraus macht ein junger Mann schnell ein paar Fotos, mittendrin werden Stative aufgebaut und ausgerichtet. Dass die Kirschblüte einmal solch einen „Hype“ auslösen würde, damit hätte Brigitte Denkel niemals gerechnet. „Im Gegenteil“, lacht die ehemalige Bonner Stadtplanerin.

„Als wir in den 1980er Jahren unser Konzept zur Verbesserung des Wohnumfeldes in der Altstadt vorgestellt haben, schlug uns massiver Widerstand entgegen“, erinnert sie sich noch genau. „Schauen Sie mal“, sagt sie und zieht einen Artikel des General Anzeigers vom Februar 1985 hervor. „Hier sehen Sie, was die Anwohner von unseren Vorschlägen hielten“, reicht sie einen Bericht über eine Bürgerversammlung herum. „Ich will keinen Baum vor meiner Tür“, lautete damals die Schlagzeile.

In diesen Tagen, zur Hochzeit der Kirschblüte, lädt Brigitte Denkel mehrmals zu Spaziergängen durch die Altstadt ein. Rund 30 Interessierten folgten ihr am Donnerstag durch das lebendige Wohnquartier hinter dem Stadthaus. Bei diesen Rundgängen legt die Architektin allerdings nicht nur Augenmerk auf die Japanischen Zierkirschen. „Ich will vielmehr unser damaliges Gesamtkonzept zur Verbesserung der Wohnsituation und des Mikroklimas in diesem dicht bebauten Gebiet präsentieren“, ergänzt sie. Dazu gehörten neben den Baumpflanzungen auch Verkehrsberuhigung sowie die Begrünung.

Früher war die Altstadt nicht schön

Einst ein unattraktives Handwerkerviertel mit maroden Häusern und viel Durchgangsverkehr, ist die Bonner Altstadt heute aufgrund der städtebaulichen Umgestaltung und der Kirschblüte weltweit bekannt. In Internet-Charts wird die Heerstraße sogar unter den zehn schönsten Alleen der Welt gelistet. Touristen aus ganz Europa und natürlich aus Japan reisen Jahr für Jahr an, um das rosarote Naturschauspiel im Frühling zu bewundern.

Allerdings waren die Kirschen in den 1980er Jahren nur die zweite Wahl. „Eigentlich hatten wir Weißdorn ausgesucht. Der blüht nicht nur schön, sondern er bleibt auch klein. Denn wir mussten den Anwohnern versprechen, dass nur kleine Bäume gepflanzt werden, damit noch genügend Licht in die Wohnungen fiel“, erklärt Brigitte Denkel den Spaziergängern. Nur weil in den hiesigen Baumschulen damals der komplette Weißdorn-Bestand eingegangen war, fiel die Wahl auf die Japanischen Zierkirschen.

Damit sich daraus allerdings keine riesigen Exemplare entwickelten, wurden sie auf kleine Stämme aufgepfropft. Rund 400 Bäume wurden damals in den Altstadtstraßen gepflanzt. Neben Kirschen auch Zierpflaumen. „Das war wirklich eine gute Wahl“, meint die „Mutter der Kirschblüte“ und betrachtet den einzigartigen Baldachin aus rosa Blüten in der Heerstraße. Aufgrund des guten Wetters haben sich die Knospen in diesem Jahr früher geöffnet als üblich. „Bis Ostern werden wir den Anblick noch genießen können“, schätzt sie.

Im Weserbergland geboren und in Karlsruhe studiert, kam die Stadtplanerin in den 1970er Jahren direkt von der Uni nach Bonn. „Hier habe ich meine Berufstätigkeit begonnen, und hier habe ich sie beendet“, erzählt die 68-Jährige. Mittlerweile fühle sie sich nicht nur wie eine Bonnerin, sondern wie eine „Altstädterin“. „Hier gibt es alles, was man zum Leben braucht. Buchläden, Kultur, Bäckereien, Restaurants, Kneipen und Handwerksbetriebe. Heute bin ich hier fest verwurzelt.“ So wie „ihre“ Kirschbäume. Denn die haben mittlerweile auch kräftige Wurzeln in die Altstadterde getrieben.

Der nächste Spaziergang durch die Altstadt findet am Sonntag, 9. April, statt. Um 16 Uhr geht es an der Ecke Wolf-/Heerstraße los.

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